Licht – Die treibende Kraft

Herzlich willkommen zurück, liebe Cannabis-Enthusiasten und wissbegierige Gärtnernde, zum vierten großen Abschnitt meiner Botanik Bibel! Nachdem wir uns nun intensiv mit der Pflanze selbst – ihrer faszinierenden Genetik, ihrer Anatomie bis ins kleinste Trichom und den verschiedenen Anbau-Szenarien vom Balkon bis zur Profi-Box – beschäftigt haben, kommen wir jetzt zu dem Element, das buchstäblich alles in Bewegung setzt und am Leben erhält: das Licht.

Ich kann es nicht oft genug sagen, und ich werde es in diesem Teil immer wieder betonen: Licht ist für unsere geliebten Cannabis-Pflanzen nicht nur ein nettes Extra, es ist die absolute Grundlage allen Seins. Es ist die primäre, unerschöpfliche Energiequelle, die den wundersamen Motor der Photosynthese befeuert – jenen Prozess, der aus schnöder Luft und Wasser die Bausteine des Lebens und energiereichen Zucker erschafft. Ohne Licht gäbe es kein Wachstum, keine fetten Blätter, keine üppigen Blüten – einfach nichts. Es ist, als wollten Sie ein Auto ohne Sprit fahren.

Aber – und das ist das Geniale, was die Natur sich da ausgedacht hat – Licht ist so viel mehr als nur der Treibstoff im Tank! Es ist gleichzeitig auch das hochsensible Navigationssystem und Kommunikationsnetzwerk der Pflanze. Lichtsignale sagen dem Samen, wann es Zeit ist zu keimen. Sie diktieren der jungen Pflanze, ob sie sich kompakt halten oder in die Höhe schießen soll, um ja nicht im Schatten der Nachbarn zu verkümmern. Licht steuert die Ausrichtung der Blätter zur Sonne, das Öffnen und Schließen der Spaltöffnungen für den Gasaustausch und – für uns Grower natürlich von höchstem Interesse – den alles entscheidenden Übergang von der Wachstums- zur Blütephase. Licht ist quasi das Betriebssystem, das den gesamten Lebenszyklus dirigiert und auf Umwelteinflüsse reagiert. Ohne das richtige Licht zur richtigen Zeit, in der richtigen Menge und vor allem in der richtigen Qualität? Tja, dann können Sie den Traum von potenten, harzbesetzten Premium-Blüten meist begraben.

In diesem vierten Teil meiner Botanik Bibel werden wir das Thema Licht daher von Grund auf und in aller Tiefe auseinandernehmen. Wir werden die Physik entmystifizieren, die komplexen Reaktionen in der Pflanze verstehen lernen und ganz praktische Tipps für die optimale Beleuchtung in Ihrem Anbauraum geben. Mein Ziel ist es, dass nach diesem Teil keine Fragen mehr offenbleiben und Sie Licht nicht mehr nur als “Helligkeit” betrachten, sondern als eines der mächtigsten Werkzeuge, das Ihnen zur Verfügung steht, um das Beste aus Ihren Pflanzen herauszuholen.

  • Wir legen los in Kapitel 20 mit dem Fundament der Lichtphysik und Pflanzenphysiologie. Hier klären wir: Was ist Licht physikalisch genau? Wie messen wir es sinnvoll (PPFD, DLI statt Lux!)? Wie funktioniert die Photosynthese wirklich im Detail? Und wie interpretiert die Pflanze Licht als Signal (Photomorphogenese)? Wir schauen uns auch UV, Fernrot und grünes Licht genau an.
  • Danach, in Kapitel 21, geht es an die Hardware: die Leuchtmittel. Von der klassischen Natriumdampflampe (NDL) über Metallhalogen (MH) und Keramik-Metallhalogen (CMH/LEC) bis hin zur modernen LED-Technologie – wir nehmen alle relevanten Lampentypen unter die Lupe, vergleichen ihre Effizienz, ihr Spektrum, ihre Wärmeentwicklung und ihre Kosten.
  • In Kapitel 22 wird es dann ganz praktisch: die Lichtplanung und Steuerung. Wie viel Licht brauchen Ihre Pflanzen in welcher Phase? Wie wählen Sie die richtige Lampenanzahl und -stärke für Ihre Fläche? Wie positionieren Sie die Lampen optimal für eine gleichmäßige Ausleuchtung? Und wie steuern Sie die wichtigen Lichtzyklen zuverlässig?
  • Zum krönenden Abschluss widmen wir uns in Kapitel 23 den fortgeschrittenen Lichtstrategien und dem Spektral-Tuning. Hier geht es um dynamische Beleuchtung, den gezielten Einsatz spezifischer Wellenlängen zur Beeinflussung von Wachstum oder vielleicht sogar Inhaltsstoffen (wobei wir Mythen von Fakten trennen!) – etwas für alle, die das Maximum herausholen wollen.

Sie sehen, es liegt einiges vor uns! Aber ich verspreche Ihnen: Es lohnt sich. Ein tiefes Verständnis für Licht ist der Schlüssel zu gesünderen Pflanzen und besseren Erträgen. Also, machen Sie sich bereit, Erleuchtung zu finden! Los geht’s mit Kapitel 20 und den Grundlagen.

Lichtphysik & Pflanzenphysiologie – Die Sonne im Tank, den Kompass im Blatt

Einleitung: Licht – Mehr als nur Helligkeit für Cannabis!

Freunde des gepflegten Grüns, herzlich willkommen zum Start von Teil 4 und damit zu einem meiner absoluten Lieblingsthemen: dem Licht! Nachdem wir uns in der Einleitung zu diesem Teil schon darauf eingestimmt haben, wie fundamental Licht für unsere Cannabispflanzen ist – als Energiequelle und als Signalgeber – wollen wir in diesem Kapitel das Fundament legen. Hier geht es ans Eingemachte: die Physik hinter dem Licht und die faszinierende Art und Weise, wie Pflanzen darauf reagieren.

Stellt euch vor, ihr wollt ein Hochleistungsauto tunen. Ihr würdet ja auch nicht einfach drauf los schrauben, ohne zu verstehen, wie der Motor funktioniert, was Oktan im Benzin bedeutet oder wie das Getriebe die Kraft übersetzt, oder? Genauso ist es beim Cannabis-Anbau und dem Licht. Nur wer versteht, was PAR, PPFD oder DLI bedeuten, wie die Photosynthese abläuft und warum die Pflanze auf rotes oder blaues Licht unterschiedlich reagiert, kann seine Beleuchtung wirklich optimieren und das volle genetische Potenzial seiner Damen (oder Herren, falls ihr züchtet) ausschöpfen.

Dieses Kapitel ist daher die absolute Basis für alles Weitere in Teil 4. Wir klären die physikalischen Grundlagen, definieren die Maßeinheiten, die wirklich zählen (und verabschieden uns endgültig von Lux!), tauchen tief in die Photosynthese ein, entschlüsseln die Geheimnisse der Photomorphogenese und schauen uns an, welche Rolle auch Licht außerhalb des sichtbaren Spektrums spielt. Es mag anfangs etwas technisch erscheinen, aber ich verspreche euch, es lohnt sich! Mit diesem Wissen seid ihr bestens gerüstet, um die folgenden Kapitel über Lampen und Lichtplanung zu verstehen und die richtigen Entscheidungen für euren Grow zu treffen. Also, krempeln wir die Ärmel hoch und bringen Licht ins Dunkel!

Das Wesen des Lichts: Physik für Grower griffig erklärt

Okay, fangen wir ganz von vorne an. Was ist dieses “Licht” eigentlich, physikalisch betrachtet? Keine Angst, es wird keine trockene Physikstunde, sondern praxisrelevantes Wissen, das jeder ambitionierte Grower im Kopf haben sollte.

Von UV bis Infrarot: Das Lichtspektrum und was die Pflanze “sieht”

Wir Menschen sehen nur einen winzigen Ausschnitt der Realität. Das Licht, das für uns sichtbar ist, ist Teil eines riesigen elektromagnetischen Spektrums. Das reicht von extrem kurzwelligen, energiereichen Gammastrahlen bis zu den langwelligen Radiowellen. Licht selbst ist also elektromagnetische Strahlung, die sich wellenförmig ausbreitet. Die entscheidende Eigenschaft dieser Wellen ist ihre Wellenlänge (Symbol: $\lambda$, Lambda), die üblicherweise in Nanometern (nm) angegeben wird (1 nm = 1 Milliardstel Meter).

Gleichzeitig hat Licht aber auch Teilchencharakter. Man kann es sich als einen Strom von winzigen Energiepaketen vorstellen, den Photonen. Das ist der sogenannte Welle-Teilchen-Dualismus. Die Energie ($E$) jedes einzelnen Photons ist dabei umgekehrt proportional zur Wellenlänge: Je kürzer die Welle, desto höher die Energie des Photons. Die Formel dazu, die wir uns merken sollten, lautet:

$E = \frac{h \cdot c}{\lambda}$

Hierbei ist $h$ das Plancksche Wirkungsquantum und $c$ die Lichtgeschwindigkeit (beides Konstanten). Das heißt im Klartext: Kurzwelliges Licht (z.B. UV, Blau) ist energiereicher pro Photon als langwelliges Licht (z.B. Rot, Infrarot). Das ist wichtig, um später zu verstehen, warum UV-Licht potenziell schädlich sein kann, während Infrarot primär wärmt.

Für uns Pflanzenfreunde sind folgende Bereiche des Spektrums besonders interessant:

  • UV-C (100-280 nm): Extrem energiereich, wird aber auf der Erde fast vollständig von der Atmosphäre (Ozonschicht, Sauerstoff) absorbiert [^UVAtmosphere]. Für uns im Anbau nur relevant, wenn es um spezielle (und gefährliche!) Sterilisationslampen geht – Finger weg davon im normalen Betrieb!
  • UV-B (280-315 nm): Energiereich, erreicht die Erdoberfläche. Verursacht Sonnenbrand bei uns, kann bei Pflanzen DNA schädigen, aber in geringen Dosen über den spezifischen UVR8-Rezeptor auch wichtige Schutz- und Anpassungsreaktionen auslösen [^UVR8Review]. Ein zweischneidiges Schwert, das wir später noch genau betrachten.
  • UV-A (315-400 nm): Weniger aggressiv als UV-B, dringt tiefer ins Gewebe ein. Wird von den Kryptochromen und Phototropinen wahrgenommen und beeinflusst diverse Wachstumsprozesse [^PhotomorphogenesisReview]. Spielt möglicherweise eine Rolle bei der Aktivierung von Reparaturmechanismen für UV-B-Schäden.
  • PAR (Photosynthetically Active Radiation, 400-700 nm): Das ist der Bereich des für uns sichtbaren Lichts, von Violett (~400 nm) über Blau, Grün, Gelb, Orange bis hin zu Rot (~700 nm). Diese Photonen liefern die Hauptenergie für die Photosynthese [^McCree1972]. Hier wird quasi der Zucker für die Pflanze gekocht.
  • Fernrot (Far-Red, FR, 700-800 nm): Direkt angrenzend an das rote Ende des sichtbaren Spektrums. Für uns kaum noch sichtbar, aber für die Pflanze über das Phytochrom-System essenziell. FR-Licht ist ein wichtiges Signal für die Anwesenheit von Nachbarpflanzen (Beschattung) und steuert Prozesse wie Streckungswachstum und Blühinduktion maßgeblich [^PhytochromeReview].
  • Infrarot (IR, >800 nm): Langwellige Strahlung, die wir primär als Wärme empfinden. Sie treibt keine Photosynthese an, kann aber die Blatt- und Raumtemperatur erhöhen und somit Wasserhaushalt und Stoffwechsel beeinflussen [^PlantTemperature]. Besonders relevant beim Vergleich verschiedener Lampentypen (Stichwort HID vs. LED).

Merke: Die Pflanze nimmt ein breiteres und anderes Spektrum an Licht wahr als wir! Was für uns hell ist (z.B. grünes Licht), kann für die Pflanze weniger relevant sein als für uns unsichtbares Licht (z.B. FR).

Welle, Teilchen, Intensität: Licht-Eigenschaften, die für uns zählen

Neben der Wellenlänge ($\lambda$, Farbe/Energie) gibt es noch weitere wichtige Eigenschaften:

  • Welle-Teilchen-Dualismus: Haben wir schon kurz erwähnt. Für uns wichtig: Photosynthese und Photomorphogenese sind Quantenprozesse. Es kommt auf die Anzahl und Energie der einzelnen Photonen an, die auf die Pflanze treffen [^PhysicsLight].
  • Intensität (Flussdichte): Wie “viel” Licht kommt an? Das ist eine der wichtigsten Variablen im Anbau. Wir werden sehen, dass wir die Intensität am besten als Photonenflussdichte (Anzahl Photonen pro Fläche pro Zeit) messen [^LightMeasurementReview].
  • Spektrale Qualität (Zusammensetzung, SPD): Das “Rezept” des Lichts. Welche Wellenlängen sind in welchem Verhältnis enthalten? Sonnenlicht hat ein kontinuierliches Spektrum, viele LEDs haben Peaks im blauen und roten Bereich mit Anteilen dazwischen. Das Spektrum bestimmt, welche Photorezeptoren wie stark angesprochen werden und wie die Pflanze reagiert [^PlantLightingBook].
  • Richtung: Aus welcher Richtung kommt das Licht? Wichtig für das Wachstum zum Licht hin (Phototropismus), gesteuert durch Phototropine [^PhototropinReview].
  • Polarisation: Für die Pflanze selbst meist irrelevant, daher für uns vernachlässigbar.

Herr Brackhaus grübelt: Faszinierend, oder? Die Pflanze “liest” ihre Umwelt durch das Licht. Sie erkennt nicht nur, ob es Tag oder Nacht ist, sondern auch, ob die Sonne scheint oder Wolken da sind (Intensität, Spektrum), ob Nachbarn Schatten werfen (R:FR-Verhältnis) und woher das meiste Licht kommt (Richtung). Ein hochkomplexes Sensorsystem, das wir verstehen müssen, um es optimal zu nutzen!

So, das waren die physikalischen Grundlagen. Im nächsten Schritt schauen wir uns an, wie wir diese Eigenschaften messen und quantifizieren können – und warum die alten Methoden mit Lux und Lumen uns dabei völlig im Stich lassen.

PAR, PPFD, DLI & Co.: Die Licht-Sprache endlich verstehen (Weg mit Lux!)

So, nachdem wir die physikalischen Basics geklärt haben, kommen wir zum Handwerkszeug – den Maßeinheiten für Licht im Pflanzenanbau. Und hier muss ich gleich mal Tacheles reden und mit einem der größten und hartnäckigsten Missverständnisse aufräumen, das mir immer wieder begegnet, selbst bei erfahrenen Gärtnernden: Vergesst Lux und Lumen, wenn ihr über Pflanzenlicht sprecht! Das sind Einheiten, die für das menschliche Auge gemacht sind, nicht für die Bedürfnisse unserer grünen Schützlinge. Wir müssen lernen, die Sprache des Lichts zu sprechen, die unsere Pflanzen verstehen – und das ist die Sprache der Photonen!

Radiometrisch vs. Quantenmaße – Warum wir Grower Photonen zählen

Grundsätzlich kann man Licht auf zwei Arten messen:

  1. Radiometrisch: Hier misst man die Energie, die das Licht transportiert. Die Einheit ist typischerweise Watt pro Quadratmeter ($W/m^2$). Das beschreibt die physikalische Energiemenge, aber sagt wenig darüber aus, wie effektiv dieses Licht für die Photosynthese ist. Denn wie wir gelernt haben, hat ein blaues Photon mehr Energie als ein rotes Photon ($E=hc/\lambda$). Aber für die Photosynthese sind beide (innerhalb des PAR-Bereichs) in etwa gleich wirksam, wenn sie absorbiert werden. Die reine Energiemessung verzerrt also das Bild.
  2. Quantenmaße: Hier zählen wir die Anzahl der Photonen, die in einem bestimmten Zeitraum auf eine Fläche treffen oder von einer Quelle abgegeben werden. Da die Photosynthese ein Quantenprozess ist – jedes absorbierte Photon kann (theoretisch) eine chemische Reaktion antreiben – ist die Anzahl der Photonen im relevanten Spektralbereich für uns die biologisch relevanteste Größe [^LightMeasurementReview], [^McCree1972].

Die Einheit für diese Photonenmenge ist das Mikromol ($\mu mol$). Ein Mol ist eine riesige Anzahl von Teilchen (ca. 6.022 x $10^{23}$, die Avogadro-Konstante), und da wir über die Photonen pro Sekunde sprechen, verwenden wir Mikromol (ein Millionstel Mol) pro Sekunde ($\mu mol/s$) oder pro Sekunde und Quadratmeter ($\mu mol/m^2/s$). Wir zählen also Photonenpakete.

PAR (Photosynthetically Active Radiation): Der Arbeitsbereich

Der Begriff PAR taucht überall auf. Wichtig zu verstehen: PAR ist keine Maßeinheit, sondern definiert einen Spektralbereich, nämlich die Wellenlängen von 400 bis 700 Nanometern [^McCree1972]. Das ist der Bereich des für uns sichtbaren Lichts, den Pflanzen hauptsächlich für die Photosynthese nutzen, da hier ihre wichtigsten Pigmente (Chlorophylle und Carotinoide) das Licht absorbieren.

Allerdings gibt es gute Gründe, diesen Bereich gedanklich etwas zu erweitern. Forschungen, insbesondere zum Emerson-Effekt [^Emerson1957], haben gezeigt, dass auch Fernrotes Licht (FR, 700-750 nm) die Photosyntheserate steigern kann, wenn es zusammen mit Licht aus dem PAR-Bereich gegeben wird. Deshalb wird zunehmend auch von ePAR (extended PAR, 400-750 nm) gesprochen [^ZhenIersel2017]. Wenn wir also PAR-Messgeräte verwenden, messen diese meist standardmäßig 400-700 nm, aber wir sollten im Hinterkopf behalten, dass auch das angrenzende FR eine wichtige Rolle spielt.

PPF (Photosynthetic Photon Flux): Was die Lampe raushaut (µmol/s)

Der PPF beschreibt die Gesamtanzahl der Photonen im PAR-Bereich (400-700 nm), die eine Lichtquelle pro Sekunde in alle Richtungen abgibt [^LightMeasurementReview]. Die Einheit ist Mikromol pro Sekunde ($\mu mol/s$).

Man kann den PPF als die “Brutto-Photonenleistung” einer Lampe betrachten. Lampenhersteller geben diesen Wert oft an, um die Leistungsfähigkeit ihrer Produkte zu beschreiben. Er ist nützlich für einen groben Vergleich verschiedener Leuchtmittel.

Aber Vorsicht: Der PPF allein sagt uns noch nichts darüber, wie viel Licht tatsächlich auf unserer Anbaufläche ankommt oder wie es verteilt ist. Eine Lampe mit hohem PPF kann ihr Licht ineffizient abstrahlen oder einen ungeeigneten Abstrahlwinkel haben.

PPFD (Photosynthetic Photon Flux Density): Was bei der Pflanze ankommt (µmol/m²/s)

Jetzt kommen wir zur entscheidenden Metrik für die tägliche Praxis: der PPFD. Sie misst die Dichte des Photonenflusses, also die Anzahl der PAR-Photonen (400-700 nm), die pro Sekunde auf eine Fläche von einem Quadratmeter ($m^2$) treffen [^LightMeasurementReview]. Die Einheit ist Mikromol pro Quadratmeter pro Sekunde ($\mu mol/m^2/s$).

Das ist der Wert, der zählt! Er sagt uns, wie intensiv das photosynthetisch nutzbare Licht genau dort ist, wo es gebraucht wird – nämlich auf Höhe der Blätter unserer Pflanzen. Die PPFD ist nicht konstant, sondern hängt von mehreren Faktoren ab:

  1. Lampenleistung (PPF): Klar, eine stärkere Lampe erzeugt generell höhere PPFD-Werte.
  2. Abstrahlcharakteristik der Lampe: Wie bündelt die Lampe das Licht? Ein Reflektor oder Linsen beeinflussen die PPFD stark.
  3. Abstand zur Pflanze: Der wichtigste Faktor, den wir direkt beeinflussen können! Die PPFD nimmt mit zunehmendem Abstand rapide ab (ungefähr mit dem Quadrat des Abstands, bekannt als Inverse-Square Law [^InverseSquareLaw]). Doppelte Entfernung bedeutet grob nur noch ein Viertel der PPFD!
  4. Reflektion im Anbauraum: Weiße Wände oder spezielle Folien werfen gestreutes Licht zurück auf die Pflanzen und können die PPFD, besonders an den Rändern, deutlich erhöhen.

Herr Brackhaus empfiehlt: Richtwerte für PPFD bei Cannabis Aus meiner Erfahrung und dem, was die Wissenschaft sagt, hier ein paar bewährte Zielbereiche für die PPFD auf Höhe der Pflanzenspitzen (gemessen mit einem PAR-Meter!):

  • Sämlinge & junge Stecklinge: 100 - 300 µmol/m²/s. Hier ist weniger oft mehr, die Kleinen sind empfindlich! Langsam steigern.
  • Vegetatives Wachstum: 250 - 600 µmol/m²/s. Hier wollen wir ordentlich Blattmasse aufbauen, dafür braucht es schon mehr Power.
  • Blütephase: 500 - 1000 µmol/m²/s. Das ist der Standardbereich für die meisten Grower, um dichte, harzige Blüten zu bekommen.
  • Blütephase mit CO2-Begasung: 1000 - 1500 µmol/m²/s (oder sogar mehr). Achtung, das ist die Königsklasse! Solch hohe Werte sind nur sinnvoll und erträglich für die Pflanze, wenn alle anderen Faktoren (CO2-Gehalt der Luft, Temperatur, Luftfeuchte, Nährstoffe, Wasser) absolut im Optimum sind. Sonst riskiert man massiven Lichtstress [^CannabisPPFDCO2]. Für die meisten Heimanbauer sind Werte über 1000 eher nicht relevant oder sogar kontraproduktiv.

Denkt dran: Das sind nur Richtwerte! Die optimale PPFD hängt auch von der Genetik (manche Sorten sind lichthungriger als andere) und dem Zustand eurer Pflanzen ab. Beobachten ist alles!

DLI (Daily Light Integral): Die Tagesdosis macht’s (mol/m²/Tag)

Die PPFD gibt die momentane Lichtintensität an. Mindestens genauso wichtig ist aber die Gesamtmenge an Licht, die eine Pflanze über den ganzen Tag erhält. Dafür gibt es das Tägliche Lichtintegral (DLI) [^DLIBasics]. Es ist die Summe aller PAR-Photonen, die über einen Zeitraum von 24 Stunden auf einen Quadratmeter treffen. Die Einheit ist Mol pro Quadratmeter pro Tag ($mol/m^2/d$).

Der DLI ist ein hervorragender Indikator für das Wachstumspotenzial. Man kann ihn berechnen, wenn man die durchschnittliche PPFD und die Beleuchtungsdauer kennt:

$DLI = \frac{PPFD \times \text{Beleuchtungsdauer (in Stunden)} \times 3600}{1,000,000}$

(Die 3600 wandelt Stunden in Sekunden um, die 1.000.000 wandelt Mikromol in Mol um).

Beispiel: Eine Lampe liefert durchschnittlich 600 µmol/m²/s PPFD über eine Beleuchtungsdauer von 18 Stunden (vegetative Phase). $DLI = \frac{600 \times 18 \times 3600}{1,000,000} = 38.88 , mol/m^2/d$

Warum ist der DLI so wichtig? Weil viele Pflanzen, darunter auch Cannabis, eine bestimmte tägliche Lichtmenge brauchen, um optimal zu wachsen und hohe Erträge zu produzieren.

  • Im Freien ist der DLI extrem variabel: An einem trüben Wintertag in Deutschland vielleicht nur 1-5 $mol/m^2/d$, an einem klaren Sommertag locker 40-60 $mol/m^2/d$ [^DLINatural]. Das erklärt, warum Outdoor-Anbau bei uns saisonal so stark eingeschränkt ist.
  • Indoor können wir den DLI gezielt steuern. Für Cannabis gelten oft folgende Zielbereiche [^CannabisDLI]:
    • Sämlinge/Stecklinge: 10 - 15 $mol/m^2/d$
    • Vegetatives Wachstum: 20 - 40 $mol/m^2/d$ (manche gehen bis 45)
    • Blütephase: 30 - 50 $mol/m^2/d$ (oft wird ein Ziel von ~40 angestrebt)

Ein zu niedriger DLI führt zu langsamerem Wachstum und geringeren Erträgen. Ein extrem hoher DLI kann (besonders ohne CO2-Anreicherung) zu Lichtstress führen oder ist einfach nur Energieverschwendung, wenn andere Faktoren limitieren.

YPF (Yield Photon Flux): Für die Theoretiker? (Kurze Erwähnung)

Manchmal stößt man noch auf den Begriff YPF (Yield Photon Flux) oder YPFD (Yield Photon Flux Density) [^YPFMcCree]. Hierbei wird versucht, die Photonen nicht nur zu zählen (wie bei PPF/PPFD), sondern sie entsprechend ihrer tatsächlichen photosynthetischen Wirksamkeit gemäß einer bestimmten “Wirkungskurve” (oft die McCree-Kurve [^McCree1972]) zu gewichten. Die Idee ist, dass z.B. grüne Photonen etwas weniger wirksam sind als rote oder blaue. In der Praxis hat sich das aber weniger durchgesetzt als PPFD/DLI, da die Wirkungsspektren stark von der Pflanze und den Bedingungen abhängen können und die Messung komplexer ist. Für uns bleibt PPFD die wichtigste Messgröße.

Photonen-Effizienz (µmol/J): Wie sparsam ist die Funzel?

Diese Kennzahl ist entscheidend, wenn es um die Energieeffizienz einer Lampe geht. Sie gibt an, wie viele Mikromol PAR-Photonen (PPF) die Lampe pro Watt (Joule pro Sekunde, J/s) aufgenommener elektrischer Energie erzeugt [^LampEfficiency]. Die Einheit ist Mikromol pro Joule ($\mu mol/J$).

Je höher dieser Wert, desto effizienter wandelt die Lampe Strom in für Pflanzen nutzbares Licht um.

  • Alte Glühbirnen: Katastrophal (< 0.5 µmol/J)
  • Leuchtstoffröhren (LSR/ESL): Mäßig (ca. 0.8 - 1.5 µmol/J)
  • Gute NDL/HPS-Lampen: Schon besser (ca. 1.3 - 1.9 µmol/J)
  • Moderne, hochwertige LEDs für den Gartenbau: Spitze! (oft 2.5 - 3.5 µmol/J oder sogar mehr) [^LEDEfficiency].

Die hohe Effizienz ist einer der Hauptgründe, warum LEDs sich im Anbau immer mehr durchsetzen – sie sparen Stromkosten bei gleicher oder besserer Lichtleistung. Diesen Wert findet man oft im Datenblatt guter Grow-Lampen.

Raus aus der Lux-Falle! Warum Lux und Lumen für Pflanzen Mist sind

Jetzt nochmal ganz deutlich: Lux (lx) ist die Einheit der Beleuchtungsstärke, und Lumen (lm) ist die Einheit des Lichtstroms. Beides sind photometrische Größen, die darauf basieren, wie empfindlich das menschliche Auge auf verschiedene Wellenlängen reagiert [^LuxVsPPFD]. Unser Auge ist im grünen Bereich (um 555 nm) am empfindlichsten und nimmt blaues und rotes Licht als viel dunkler wahr.

Pflanzen “sehen” aber anders! Ihre Photosynthesepigmente haben ihre Absorptionsmaxima gerade im blauen und roten Bereich. Eine Lampe, die viel rotes und blaues Licht abgibt (was für Pflanzen super ist), hat daher oft einen relativ niedrigen Lux/Lumen-Wert, weil unser Auge diese Farben schlecht wahrnimmt. Eine Lampe mit viel grünem Licht kann dagegen hohe Lux-Werte haben, ist aber für die Pflanze weniger effizient.

Fazit: Lux und Lumen sind für die Bewertung von Pflanzenlicht absolut ungeeignet und irreführend! Das gilt besonders für moderne LEDs mit ihren spezifischen Spektren. Wer seine Beleuchtung nach Lux einstellt, tappt völlig im Dunkeln, was die tatsächliche photosynthetische Wirkung angeht.

Herr Brackhaus schimpft: Es macht mich fuchsteufelswild, wenn ich immer noch Leute sehe, die mit einer Luxmeter-App auf ihrem Handy versuchen, ihre Grow-Lampen einzustellen! Das ist, als würde man versuchen, die Temperatur eines Backofens mit einem Fieberthermometer zu messen – völlig ungeeignet! Spart euch das Geld für Spielereien und investiert lieber gleich in ein ordentliches PAR-Messgerät (Quantensensor), das PPFD misst. Ja, das kostet ein paar Euro mehr, aber es ist die einzige Möglichkeit, eure Lichtintensität sinnvoll zu messen und zu steuern. Alles andere ist reines Raten und führt über kurz oder lang zu suboptimalen Ergebnissen oder gar Problemen. Glaubt mir, ich habe das Lehrgeld dafür schon bezahlt…

Tabelle 1: Schlüsselmetriken im Überblick

Um das Ganze nochmal zusammenzufassen, hier die wichtigsten Metriken und ihre Bedeutung auf einen Blick (stellt euch das als saubere Tabelle im Buch vor):

  • PAR (Photosynthetically Active Radiation): Bereich 400-700 nm (manchmal erweitert bis 750 nm, ePAR). Keine Einheit, nur Definition!
  • PPF (Photosynthetic Photon Flux): Gesamtphotonen der Lampe. Einheit: $\mu mol/s$. Vergleich der Lampenleistung.
  • PPFD (Photosynthetic Photon Flux Density): Photonen auf der Pflanzenfläche. Einheit: $\mu mol/m^2/s$. Die wichtigste Messgröße für die momentane Intensität!
  • DLI (Daily Light Integral): Gesamtphotonen pro Tag. Einheit: $mol/m^2/d$. Wichtig für Wachstumspotenzial.
  • Photonen-Effizienz: Lichtausbeute pro Stromverbrauch. Einheit: $\mu mol/J$. Maß für die Energieeffizienz der Lampe.
  • Lux / Lumen: Basierend auf menschlicher Sicht. Einheit: lx / lm. Ungeeignet für Pflanzenlicht!

Puh, das war jetzt eine geballte Ladung Maßeinheiten! Aber dieses Wissen ist absolut grundlegend. Wenn ihr PPFD und DLI verstanden habt, habt ihr einen riesigen Schritt zum Licht-Profi gemacht! Im nächsten Abschnitt schauen wir uns dann an, was die Pflanze mit diesen Photonen eigentlich macht – wir tauchen ein in die faszinierende Welt der Photosynthese.

Der Motor des Lebens: Photosynthese – Wie Cannabis Sonnenlicht frisst

Stellt euch die Photosynthese als den Motor vor, der nicht nur unsere Cannabis-Pflanzen, sondern fast das gesamte Leben auf diesem Planeten antreibt. Es ist der geniale biochemische Trick, mit dem grüne Pflanzen, Algen und einige Bakterien die Energie des Sonnenlichts einfangen und nutzen, um aus einfachen anorganischen Stoffen – Kohlendioxid ($CO_2$) aus der Luft und Wasser ($H_2O$) aus dem Boden – energiereiche organische Verbindungen (hauptsächlich Zucker wie Glucose, $C_6H_{12}O_6$) und lebenswichtigen Sauerstoff ($O_2$) zu produzieren [^PhotosynthesisBasics].

Dieser Prozess ist die absolute Grundlage für das Wachstum unserer Pflanzen. Der erzeugte Zucker liefert die Energie für alle Lebensprozesse und die Kohlenstoff-Bausteine für den Aufbau von Zellulose, Proteinen, Fetten und ja, auch für die Synthese der von uns so geschätzten Cannabinoide und Terpene! Und ganz nebenbei produziert die Pflanze den Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen. Ein wahrhaft lebenswichtiger Kreislauf.

Licht- und Dunkelreaktion: Der geniale Zuckerbauplan der Natur

Auch wenn der Prozess hochkomplex ist, können wir ihn vereinfacht in zwei Hauptphasen unterteilen, die eng miteinander verknüpft sind:

  1. Die Lichtabhängigen Reaktionen (Primärreaktionen): Hier wird die Lichtenergie eingefangen und in chemische Energie umgewandelt.
  2. Die Lichtunabhängigen Reaktionen (Sekundärreaktionen, Calvin-Zyklus): Hier wird die chemische Energie genutzt, um $CO_2$ in Zucker umzuwandeln.

Die Gesamtgleichung der oxygenen (sauerstoffproduzierenden) Photosynthese, die in unseren Cannabis-Pflanzen abläuft, sieht vereinfacht so aus:

$6 CO_2 + 6 H_2O \xrightarrow{\text{Lichtenergie}} C_6H_{12}O_6 + 6 O_2$

Sechs Moleküle Kohlendioxid plus sechs Moleküle Wasser werden mithilfe von Lichtenergie zu einem Molekül Glucose (Zucker) und sechs Molekülen Sauerstoff. (Manchmal sieht man auch 12 $H_2O$ auf der linken und 6 $H_2O$ auf der rechten Seite – das verdeutlicht besser, dass der Sauerstoff aus der Spaltung von Wasser stammt).

Wo passiert das alles? Der Schauplatz ist ein spezialisiertes Organell in den Pflanzenzellen, das ihr sicher schon mal gehört habt: der Chloroplast. Diese kleinen grünen Kraftwerke enthalten die gesamte Maschinerie.

  • Die Lichtreaktionen finden in den Thylakoidmembranen statt, einem System aus gefalteten Membranstapeln (Grana) im Inneren des Chloroplasten. Hier sitzen die Pigmente und die Maschinerie zur Energieumwandlung.
  • Der Calvin-Zyklus läuft im Stroma ab, der flüssigen Grundsubstanz, die die Thylakoide umgibt [^ChloroplastStructure].

Schauen wir uns die beiden Phasen etwas genauer an:

  • Lichtreaktion im Detail: Alles beginnt mit der Absorption von Lichtquanten (Photonen) durch Pigmentmoleküle (hauptsächlich Chlorophylle und Carotinoide), die in sogenannten Lichtsammelkomplexen (Antennen) organisiert sind. Diese fangen das Licht wie kleine Satellitenschüsseln ein und leiten die Energie zum Reaktionszentrum der Photosysteme II (PSII) und I (PSI) weiter. Dort wird ein spezielles Chlorophyll-a-Molekül (P680 in PSII, P700 in PSI) angeregt und gibt ein energiereiches Elektron ab.

    • Am PSII wird das verlorene Elektron durch die Spaltung von Wasser (Photolyse) ersetzt. Dabei entstehen Sauerstoff ($O_2$, den die Pflanze abgibt), Protonen ($H^+$) und Elektronen [^WaterSplitting].
    • Die Elektronen werden dann über eine Elektronentransportkette von PSII zu PSI und weiter zu einem finalen Akzeptor transportiert. Während dieses Transports wird Energie genutzt, um Protonen ($H^+$) vom Stroma in das Innere der Thylakoide zu pumpen.
    • Dieser Protonengradient (ein Konzentrationsunterschied) treibt dann eine Art molekulare Turbine an, die ATP-Synthase, welche die Energie zur Herstellung von ATP (Adenosintriphosphat) nutzt – die universelle Energiewährung der Zelle. Dieser Prozess heißt Photophosphorylierung.
    • Am Ende der Kette werden die Elektronen zusammen mit Protonen auf NADP+ übertragen, wodurch NADPH entsteht – ein weiteres energiereiches Molekül, das Wasserstoff transportiert (Reduktionskraft) [^LightReactionsDetailed].
    • Ergebnis der Lichtreaktion: Gespeicherte chemische Energie in Form von ATP und Reduktionskraft in Form von NADPH. Beides wird für den nächsten Schritt gebraucht.
  • Calvin-Zyklus im Detail: Diese Phase braucht nicht direkt Licht, aber sie ist auf die Produkte der Lichtreaktion (ATP und NADPH) angewiesen und läuft daher meist tagsüber ab. Man nennt sie deshalb auch “lichtunabhängige Reaktion”, was aber etwas irreführend ist – ohne Licht keine Lichtreaktion, ohne Lichtreaktion kein ATP/NADPH, ohne ATP/NADPH kein Calvin-Zyklus!

    • Der Zyklus beginnt damit, dass das Enzym RuBisCO (Ribulose-1,5-bisphosphat-Carboxylase/Oxygenase – merkt euch dieses Enzym, es ist das häufigste Protein der Welt und spielt noch eine wichtige Rolle!) ein Molekül $CO_2$ aus der Luft an ein Zuckermolekül mit 5 Kohlenstoffatomen bindet (Ribulose-1,5-bisphosphat, RuBP). Das ist die eigentliche Kohlenstofffixierung.
    • Das entstehende instabile 6C-Molekül zerfällt sofort in zwei 3C-Moleküle (3-Phosphoglycerat, 3-PGA).
    • Diese 3C-Moleküle werden dann unter Verbrauch von ATP und NADPH zu einem energiereicheren 3C-Zucker reduziert (Glycerinaldehyd-3-phosphat, GAP).
    • Ein Teil dieses GAP wird aus dem Zyklus ausgeschleust und dient als Baustein für die Synthese von Glucose, Fructose und letztlich auch Stärke (zur Speicherung) oder Zellulose (für Zellwände) [^CalvinCycleDetailed].
    • Der weitaus größere Teil des GAP wird aber im Zyklus behalten und unter weiterem ATP-Verbrauch dazu verwendet, das Ausgangsmolekül RuBP wiederherzustellen (Regeneration). Damit schließt sich der Kreis und der Zyklus kann von neuem beginnen, um weiteres $CO_2$ zu binden.

Im Grunde nimmt der Calvin-Zyklus also die Energie aus ATP und NADPH, um $CO_2$ aus der Luft in Zucker umzuwandeln – eine Meisterleistung der Biochemie!

Die Sonnenfänger: Chlorophylle und Carotinoide als smarte Antennen

Damit die Lichtreaktion überhaupt starten kann, muss das Licht erstmal eingefangen werden. Dafür haben Pflanzen eine ausgeklügelte Maschinerie aus Pigmentmolekülen entwickelt:

  • Chlorophyll a: Das Hauptpigment und das Herzstück der Reaktionszentren (P680 und P700). Es ist blaugrün und absorbiert Licht am stärksten im blauen/violetten Bereich (Maximum um 430 nm) und im roten Bereich (Maximum um 662 nm) [^ChlorophyllStructure]. Im grünen Bereich absorbiert es nur wenig – daher erscheinen die meisten Blätter für uns grün!
  • Chlorophyll b: Ein wichtiges akzessorisches Pigment (Hilfspigment) bei höheren Pflanzen, gelbgrün. Es absorbiert Licht bei leicht anderen Wellenlängen (Maxima um 454 nm und 643 nm) und erweitert damit das für die Photosynthese nutzbare Spektrum. Es leitet die eingefangene Energie dann effizient an Chlorophyll a weiter [^ChlorophyllStructure]. Das Verhältnis von Chlorophyll a zu b kann sich übrigens an die Lichtbedingungen anpassen (Schattenblätter haben oft mehr Chl b).
  • Carotinoide: Eine große Gruppe von gelben, orangen oder roten Pigmenten (z.B. β-Carotin, das wir aus Karotten kennen, und Xanthophylle wie Lutein). Sie absorbieren Licht vor allem im blau-grünen Bereich (ca. 400-550 nm), also genau dort, wo die Chlorophylle ihre “Schwäche” haben (die berühmte “Grünlücke”) [^CarotenoidFunction]. Auch sie leiten die Energie an Chlorophyll a weiter. Mindestens genauso wichtig ist aber ihre Schutzfunktion: Sie helfen, überschüssige Lichtenergie unschädlich als Wärme abzugeben (Teil des Non-Photochemical Quenching, NPQ) und neutralisieren aggressive Sauerstoffmoleküle (ROS), die bei zu viel Licht entstehen können. Sie sind quasi der eingebaute Sonnenschutz und die Radikalfänger der Zelle [^CarotenoidProtection].

Absorptions- vs. Wirkungsspektrum: Es ist wichtig, diese beiden Begriffe zu unterscheiden:

  • Das Absorptionsspektrum zeigt, welche Wellenlängen von einem isolierten Pigmentextrakt geschluckt werden.
  • Das Wirkungsspektrum misst die tatsächliche Photosyntheserate (z.B. $O_2$-Produktion) bei Bestrahlung mit Licht verschiedener Wellenlängen. Die Spektren ähneln sich, sind aber nicht identisch. Das Wirkungsspektrum ist oft breiter, weil die akzessorischen Pigmente (Chl b, Carotinoide) ja ebenfalls Licht für die Photosynthese sammeln und die Energie weiterleiten [^ActionSpectrum]. Auch wenn grünes Licht schwächer absorbiert wird als blaues oder rotes, trägt es dennoch zur Photosynthese bei, besonders in tieferen Blattschichten, wohin es besser vordringt. Völlig nutzlos ist es also keineswegs!

Anekdote von Herr Brackhaus: Habt ihr schon mal bemerkt, dass eure Pflanzen unter einer reinen Rot/Blau-LED irgendwie anders, fast künstlich aussehen, während sie unter einer Vollspektrum-LED oder gar Sonnenlicht viel natürlicher wirken? Das liegt genau an diesem Zusammenspiel der Pigmente und der “Grünlücke”! Unter der Rot/Blau-LED wird das grüne Licht kaum angestrahlt und kann daher auch nicht reflektiert werden – das Blatt wirkt dunkler, manchmal fast schwärzlich-violett. Unter Vollspektrumlicht mit Grünanteil wird dieser reflektiert, und wir sehen das satte Grün, das wir erwarten. Das zeigt schön, wie die Lichtquelle die Farbwahrnehmung beeinflusst – und warum “weißes” Licht für unser Auge oft angenehmer ist, auch wenn die Pflanze vielleicht primär Rot und Blau “frisst”.

Das Nadelöhr: Was die Photosynthese bremst (und wie wir helfen können)

Die Photosynthese ist zwar ein genialer Prozess, aber sie ist bei weitem nicht perfekt effizient. Es gibt mehrere Flaschenhälse oder “Nadelöhre”, die die Leistung begrenzen können. Das zu verstehen, ist für uns Grower essenziell, denn oft können wir genau an diesen Punkten ansetzen, um das Wachstum zu optimieren.

  • Quantenausbeute (Quantum Yield): Dieses Maß beschreibt die Effizienz auf der grundlegendsten Ebene: Wie viele Moleküle $CO_2$ werden pro absorbiertem Photon fixiert (oder wie viel $O_2$ wird freigesetzt)? Theoretisch braucht es mindestens 8 Photonen, um ein Molekül $CO_2$ zu fixieren [^QuantumYieldTheory]. Die maximale theoretische Quantenausbeute liegt also bei 1/8 = 0.125. In der Realität wird dieser Wert selbst unter optimalen Laborbedingungen selten erreicht (eher 0.08 - 0.1) und unter normalen Bedingungen oder bei Stress noch deutlich weniger [^QuantumYieldReal]. Das zeigt schon: Es gibt Verluste im System.
  • Gesamteffizienz unter realen Bedingungen: Wenn man nicht nur die absorbierten Photonen betrachtet, sondern die gesamte auf die Pflanze treffende Sonnenenergie (im PAR-Bereich) und diese ins Verhältnis zur gespeicherten Energie in der Biomasse setzt, sieht es noch ernüchternder aus. Die tatsächliche Effizienz der Energieumwandlung liegt bei den meisten Pflanzen unter Feldbedingungen oft nur im Bereich von 0.1% bis vielleicht 3-4% über die gesamte Wachstumsperiode! [^PhotosynthesisEfficiency]. Das klingt nach wenig, aber es reicht, um die Basis für fast alles Leben auf der Erde zu bilden. Es zeigt aber auch das enorme Potenzial, das in der Optimierung liegt, wenn wir die limitierenden Faktoren in den Griff bekommen.

Was sind diese limitierenden Faktoren? Hier gilt das gute alte Gesetz des Minimums (oft nach Justus von Liebig benannt): Das Wachstum wird durch die Ressource begrenzt, die im Verhältnis zum Bedarf am knappsten vorhanden ist. Ihr könnt den besten Motor (die Pflanze) haben und den Tank randvoll mit Licht (Energie), aber wenn der Vergaser (CO2) verstopft ist oder das Kühlwasser (Wasser) fehlt, kommt die Kiste nicht auf Touren.

Für die Photosynthese sind die wichtigsten limitierenden Faktoren:

  1. Lichtintensität (PPFD): Logisch, ohne Licht keine Photosynthese.
    • Lichtkompensationspunkt: Bei sehr geringer Lichtintensität atmet die Pflanze mehr $CO_2$ aus (Zellatmung), als sie durch Photosynthese aufnimmt. Der Punkt, an dem sich Aufnahme und Abgabe genau die Waage halten (Netto-Photosynthese = 0), ist der Lichtkompensationspunkt [^LightCompensationPoint]. Darunter verliert die Pflanze an Substanz.
    • Lichtlimitierter Bereich: Oberhalb des Kompensationspunktes steigt die Photosyntheserate zunächst oft linear mit zunehmender PPFD an. Mehr Licht = mehr Photosynthese.
    • Lichtsättigungspunkt (LSP): Ab einer bestimmten Intensität flacht die Kurve jedoch ab. Eine weitere Erhöhung der PPFD führt kaum noch zu einer Steigerung der Netto-Photosyntheserate, weil andere Faktoren zum Flaschenhals werden (meist CO2 oder die Kapazität der Enzyme im Calvin-Zyklus) [^LightSaturationPoint]. Sonnenpflanzen wie Cannabis haben generell höhere Kompensations- und Sättigungspunkte als Schattenpflanzen.
  2. CO2-Konzentration: Kohlendioxid ist der Baustein, den RuBisCO im Calvin-Zyklus fixiert. Die aktuelle atmosphärische Konzentration liegt bei etwa 420 ppm (parts per million; Stand ~2025). Für viele C3-Pflanzen (zu denen Cannabis gehört) ist das suboptimal! Sie könnten bei höheren Konzentrationen (oft im Bereich 800-1500 ppm) deutlich mehr Photosynthese betreiben, vorausgesetzt, Licht und andere Faktoren sind ausreichend vorhanden [^CO2LimitationC3]. In geschlossenen Grow-Räumen ohne Frischluftzufuhr kann die $CO_2$-Konzentration durch den Verbrauch der Pflanzen tagsüber sogar stark unter das atmosphärische Niveau fallen und zu einem massiven Engpass werden!
  3. Temperatur: Die Photosynthese, insbesondere der enzymatisch gesteuerte Calvin-Zyklus, ist stark temperaturabhängig. Jede Pflanze hat einen optimalen Temperaturbereich für die Photosynthese, der bei Cannabis oft zwischen 20°C und 30°C liegt, je nach Sorte und anderen Bedingungen [^TemperatureOptimum]. Sowohl zu niedrige Temperaturen (verlangsamen die Enzymaktivität) als auch zu hohe Temperaturen (Enzyme können denaturieren, Stressreaktionen) reduzieren die Rate. Bei Hitze schließen Pflanzen zudem ihre Spaltöffnungen (Stomata), um Wasser zu sparen, was die $CO_2$-Aufnahme blockiert.
  4. Wasserverfügbarkeit: Trockenheit ist ein Killer für die Photosynthese. Bei Wassermangel schließen die Pflanzen ihre Stomata (die kleinen Poren auf den Blättern), um die Verdunstung (Transpiration) zu reduzieren. Dadurch kann aber auch kein neues $CO_2$ mehr aus der Luft aufgenommen werden – der Motor steht quasi ohne Treibstoff da [^WaterStressPhotosynthesis].
  5. Nährstoffstatus: Viele Nährstoffe sind direkt oder indirekt an der Photosynthese beteiligt. Stickstoff (N) ist ein zentraler Bestandteil von Chlorophyll und dem wichtigsten Enzym RuBisCO. Magnesium (Mg) sitzt im Zentrum des Chlorophyll-Moleküls. Mangel an diesen oder anderen essentiellen Nährstoffen (Phosphor für ATP etc.) reduziert die photosynthetische Kapazität erheblich [^NutrientLimitation].

Herr Brackhaus grübelt nochmal: Das Gesetz des Minimums ist wie beim Backen: Du kannst die besten Eier und das teuerste Mehl haben – wenn die Hefe fehlt oder der Ofen kalt ist, wird der Kuchen nichts. Genauso ist es beim Growen: Super Lampe (Licht)? Toll! Aber wenn die Luft im Zelt steht und das CO2 verbraucht ist, oder wenn die Pflanze trockene Füße hat oder ihr Nährstoffe fehlen, dann bringt dir auch die beste Lampe nichts. Es muss immer alles im Einklang sein!

Tabelle 2: Limitierende Faktoren im Überblick

Stellt euch hier eine Tabelle vor, die die fünf Hauptfaktoren (Licht, CO2, Temperatur, Wasser, Nährstoffe) auflistet und kurz beschreibt, wie sie limitieren, was typische Optimalbereiche sind (stark variabel!) und wie sie miteinander interagieren (z.B. hoher Lichtbedarf erfordert auch mehr CO2 und Nährstoffe).

Das Verständnis dieser limitierenden Faktoren ist der Schlüssel zur Optimierung. Im nächsten Abschnitt schauen wir uns das Zusammenspiel von Licht und CO2, insbesondere die Themen Lichtsättigung und Photorespiration, noch genauer an – denn hier liegt oft großes Potenzial, gerade im Indoor-Anbau.

Wenn’s zu viel wird & der CO2-Turbo: Lichtsättigung und Photorespiration meistern

Wir haben den Lichtsättigungspunkt (LSP) bereits erwähnt – jenen Punkt, ab dem mehr Licht (höhere PPFD) die Photosyntheserate nicht mehr steigert [^LightSaturationPoint]. Warum ist das so? Weil die Lichtreaktion zwar immer mehr Energie (ATP und NADPH) bereitstellen könnte, aber der Calvin-Zyklus irgendwann nicht mehr hinterherkommt, diese Energie zu nutzen, um $CO_2$ zu fixieren. Das Nadelöhr liegt dann in der Biochemie, meist bei der Kapazität des Schlüsselenzyms RuBisCO oder bei der Regeneration des $CO_2$-Akzeptors RuBP [^LSPBiochemistry]. Die Maschinerie läuft auf Hochtouren und kann einfach nicht mehr verarbeiten.

Aber es kommt noch ein weiterer, oft unterschätzter Störenfried ins Spiel, der die Effizienz gerade bei hohen Lichtintensitäten und normalen Luftbedingungen bremst: die Photorespiration.

Was ist Photorespiration? Unser Freund RuBisCO ist ein etwas zwiespältiger Geselle. Sein Job ist es eigentlich, $CO_2$ an RuBP zu binden (Carboxylase-Aktivität). Dummerweise kann er aber auch Sauerstoff ($O_2$) an RuBP binden (Oxygenase-Aktivität), besonders wenn viel $O_2$ und wenig $CO_2$ in der Umgebung des Enzyms vorhanden ist und/oder die Temperaturen hoch sind [^PhotorespirationBasics]. Cannabis gehört zu den sogenannten C3-Pflanzen, bei denen dieser Prozess leider recht ausgeprägt ist.

Das Problem: Wenn RuBisCO Sauerstoff statt $CO_2$ bindet, startet ein biochemischer Rettungsversuch, der aber ziemlich ineffizient ist. Dabei wird bereits fixierter Kohlenstoff wieder als $CO_2$ freigesetzt, und die Pflanze verbraucht unnötig Energie (ATP und NADPH), die eigentlich für das Wachstum gedacht war. Man kann sich die Photorespiration wie einen Motor vorstellen, der im Leerlauf heiß läuft und Sprit verbraucht, ohne vorwärtszukommen – ein ziemlich verschwenderischer Prozess, der die Netto-Photosyntheseleistung um gut 20-30% oder mehr reduzieren kann! [^PhotorespirationLosses]

Der CO2-Turbo: Wie Anreicherung hilft

Und genau hier kommt die $CO_2$-Anreicherung ins Spiel, eine Technik, die in professionellen Gewächshäusern und von ambitionierten Indoor-Growern eingesetzt wird. Indem man die $CO_2$-Konzentration in der Luft künstlich erhöht (z.B. von den normalen ~420 ppm auf 800, 1000, 1200 oder sogar 1500 ppm), schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe [^CO2EnrichmentBenefits]:

  1. Mehr “Futter” für RuBisCO: Man erhöht das Angebot an $CO_2$, dem eigentlichen Substrat für die Carboxylase-Reaktion. RuBisCO kann also öfter und schneller $CO_2$ binden.
  2. Weniger “Fehlgriffe”: Man verschiebt das Verhältnis von $CO_2$ zu $O_2$ zugunsten von $CO_2$. Dadurch wird die unerwünschte Oxygenase-Aktivität (Photorespiration) kompetitiv gehemmt – RuBisCO greift seltener daneben und bindet weniger Sauerstoff.

Die Effekte sind oft dramatisch:

  • Die Netto-Photosyntheserate steigt bei gleicher Lichtintensität deutlich an.
  • Der Lichtsättigungspunkt (LSP) verschiebt sich nach oben. Die Pflanze kann jetzt viel höhere PPFD-Werte (>1000, oft bis 1500 µmol/m²/s oder mehr) effizient nutzen, weil der Calvin-Zyklus nicht mehr so schnell durch $CO_2$-Mangel oder Photorespiration ausgebremst wird [^LSPShiftCO2].
  • Oft verbessert sich auch die Wassernutzungseffizienz (WUE). Da die Pflanze bei höherer $CO_2$-Konzentration im Blattinneren ihre Spaltöffnungen etwas weiter schließen kann, um Wasserverlust zu reduzieren, ohne dass die $CO_2$-Aufnahme zu stark leidet [^CO2WUE].

Gerade für lichthungrige Pflanzen wie Cannabis, die genetisch oft für hohe Lichtintensitäten optimiert sind, kann die $CO_2$-Anreicherung unter den richtigen Bedingungen zu signifikant höheren Wachstumsraten und Erträgen führen [^CannabisPPFDCO2].

Praxistipp von Herr Brackhaus: CO2 – Wann lohnt sich der Aufwand? Bevor ihr jetzt losrennt und euch CO2-Flaschen oder Generatoren besorgt: CO2-Anreicherung ist kein Allheilmittel und definitiv eher etwas für erfahrenere Grower mit ansonsten perfekt optimierten Bedingungen!

  • Hohe Lichtintensität ist Pflicht: CO2 zuzugeben macht nur Sinn, wenn eure Beleuchtung wirklich hohe PPFD-Werte liefert (deutlich über 800-1000 µmol/m²/s), denn erst dann wird CO2 meist der Hauptlimitierende Faktor. Bei schwächerem Licht bringt zusätzliches CO2 kaum etwas.
  • Andere Faktoren müssen stimmen: Temperatur (oft leicht erhöht, z.B. 25-30°C), Luftfeuchtigkeit, Luftbewegung, Wasser- und Nährstoffversorgung müssen absolut optimal sein, damit die Pflanze die zusätzliche Photosyntheseleistung auch umsetzen kann.
  • Es kostet Geld und Aufwand: Die Technik (Flaschen, Controller, Sensoren oder Generatoren) ist nicht billig, und man braucht eine gute Abdichtung des Raumes und eine präzise Steuerung.
  • Sicherheit beachten: CO2 ist in hohen Konzentrationen für Menschen gefährlich! Gute Belüftung und Warnmelder sind Pflicht.

Mein Rat: Meistert erst alle anderen Aspekte eures Grows (Lichtintensität bis ca. 1000 PPFD, Klima, Nährstoffe etc.). Wenn das alles perfekt läuft und ihr noch mehr Ertrag wollt, dann könnt ihr über CO2 nachdenken. Für die allermeisten Heimanwendungen hier in Deutschland ist es aber oft nicht nötig oder der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Mehrertrag.

Wichtiger Punkt: Blatt vs. Bestand

Noch eine Anmerkung zur Lichtsättigung: Der LSP, den man an einem einzelnen, optimal belichteten Blatt misst, ist nicht unbedingt derselbe wie der Sättigungspunkt für die gesamte Pflanze oder den ganzen Bestand in eurem Zelt. Warum? Wegen der Lichtpenetration. In einem dichten Blätterdach sind die oberen Blätter vielleicht schon bei 800 µmol/m²/s gesättigt, aber die unteren Blätter bekommen viel weniger Licht ab und sind noch lange nicht am Limit. Eine Erhöhung der PPFD von oben kann also die Photosynthese der unteren Blattschichten immer noch steigern und somit den Gesamtertrag des Bestandes erhöhen, auch wenn die obersten Blätter “eigentlich” schon genug Licht haben [^CanopyPhotosynthesis]. CO2-Anreicherung verstärkt diesen Effekt natürlich, da sie die Kapazität aller Blätter erhöht. Das ist wichtig für die Lichtplanung – wir müssen das Licht möglichst tief in den Bestand bekommen!

So, das war unser tiefer Einblick in den Motor der Pflanze. Wir haben gesehen, wie Lichtenergie in Zucker umgewandelt wird und welche Faktoren diesen Prozess beeinflussen oder limitieren. Im nächsten großen Abschnitt wechseln wir die Perspektive: Wir betrachten Licht nicht mehr nur als Energie, sondern als wichtigen Signalgeber, der das Wachstum und die Entwicklung der Pflanze formt – willkommen in der Welt der Photomorphogenese!

Licht als Architekt: Wie Licht die Pflanzenform dirigiert (Photomorphogenese)

Bisher haben wir Licht primär als Treibstoff für die Photosynthese betrachtet. Aber wie ich eingangs schon sagte: Licht ist viel mehr! Es ist auch die wichtigste Informationsquelle für die Pflanze über ihre Umwelt. Die Art und Weise, wie Licht das Wachstum, die Form und die Entwicklung einer Pflanze steuert, nennen wir Photomorphogenese (von griechisch photos = Licht, morphe = Form, genesis = Entstehung) [^PhotomorphogenesisDefinition].

Dieser Prozess ist fundamental anders als die Photosynthese. Hier geht es nicht primär um Energiegewinnung, sondern um Signalverarbeitung. Die Pflanze nutzt spezifische Informationen aus dem Licht – seine Intensität, seine spektrale Zusammensetzung (Qualität), seine Richtung und die Dauer der Belichtung (Photoperiode) – um ihre Entwicklung optimal an die Gegebenheiten anzupassen. Das fängt bei der Keimung an, geht über die Form der Blätter und Stängel bis hin zur Entscheidung, wann es Zeit ist zu blühen.

Die Lichtfühler der Pflanze: Vorstellung der Photorezeptoren

Wie nimmt die Pflanze diese Lichtsignale wahr? Nicht mit Augen, natürlich, aber mit spezialisierten Photorezeptor-Proteinen. Das sind komplexe Moleküle, die bestimmte Chromophore (lichtabsorbierende Farbstoffmoleküle) enthalten. Wenn Licht einer bestimmten Wellenlänge auf das Chromophor trifft, ändert das Protein seine Form oder Aktivität und löst damit eine Signalkaskade in der Zelle aus, die letztendlich zu Veränderungen in der Genexpression und damit im Wachstum oder der Entwicklung führt [^PhotoreceptorOverview].

Die wichtigsten Klassen von Photorezeptoren, die wir kennen sollten, sind:

  1. Phytochrome (PHYs): Das sind die Spezialisten für rotes (R, ~660 nm) und fernrotes (FR, ~730 nm) Licht. Sie sind die Meister der Schattenvermeidung und spielen die Hauptrolle beim Photoperiodismus (Steuerung der Blüte durch Tages-/Nachtlänge) [^PhytochromeReview]. Es gibt verschiedene Typen (PhyA, PhyB, PhyC etc.), die teils unterschiedliche Aufgaben haben.
  2. Kryptochrome (CRYs): Diese Rezeptoren sind für blaues Licht (~400-500 nm) und UV-A-Strahlung (315-400 nm) zuständig. Sie sind wichtig für die Entwicklung im Licht (De-Etiolierung), die innere Uhr der Pflanze und beeinflussen ebenfalls die Blüte [^CryptochromeReview].
  3. Phototropine (PHOTs): Ebenfalls Blau-/UV-A-Licht-Rezeptoren. Sie steuern gerichtete Reaktionen wie das Wachstum zum Licht (Phototropismus), die Bewegung der Chloroplasten in der Zelle und die Öffnung der Spaltöffnungen (Stomata) [^PhototropinReview].
  4. UVR8: Der Spezialist für UV-B-Strahlung (280-315 nm). Er löst Schutzreaktionen gegen die energiereiche UV-Strahlung aus [^UVR8Review].

Diese verschiedenen Sensorsysteme arbeiten oft zusammen, nehmen unterschiedliche Aspekte der Lichtumgebung wahr und integrieren die Informationen, um eine fein abgestimmte Reaktion der Pflanze zu ermöglichen. Faszinierend, nicht wahr? Schauen wir uns die wichtigsten Systeme genauer an.

Rot vs. Dunkelrot: Das Phytochrom-System und die Flucht vor dem Schatten (SAS)

Das Phytochromsystem ist vielleicht das am besten untersuchte Photorezeptorsystem und es ist absolut zentral für das Überleben und die Fortpflanzung von Pflanzen, auch von Cannabis.

  • Der molekulare Lichtschalter (Pr <=> Pfr): Phytochrome existieren in zwei Zuständen, die durch Licht ineinander umgewandelt werden können:

    • Pr: Die rotlichtabsorbierende Form (Maximum bei ~660 nm). Sie gilt als die inaktive Form.
    • Pfr: Die fernrotlichtabsorbierende Form (Maximum bei ~730 nm). Sie gilt als die biologisch aktive Form, die die Signale weiterleitet. Rotes Licht wandelt Pr in Pfr um. Fernrotes Licht wandelt Pfr zurück in Pr um [^PhytochromeSwitch]. Im Dunkeln findet zudem eine langsame Umwandlung von Pfr zurück zu Pr statt (Dunkelreversion) oder Pfr wird abgebaut – das ist wichtig für die Messung der Nachtlänge, wie wir später sehen werden.
  • Das R:FR-Verhältnis als Umweltsensor: Der Clou ist nun: Das Verhältnis von rotem Licht zu fernrotem Licht (das R:FR-Verhältnis) in der Umgebung bestimmt, wie viel Phytochrom sich im aktiven Pfr-Zustand befindet.

    • Direktes Sonnenlicht hat ein relativ ausgeglichenes R:FR-Verhältnis von etwa 1.0 bis 1.3. Hier wird viel Pr in Pfr umgewandelt, es liegt also viel aktives Pfr vor.
    • Schattenlicht, das durch Blätter anderer Pflanzen gefiltert wurde, ist anders: Chlorophyll absorbiert rotes Licht sehr stark für die Photosynthese, lässt aber fernrotes Licht weitgehend durch oder reflektiert es. Daher ist Schattenlicht arm an rotem Licht, aber relativ reich an fernrotem Licht – das R:FR-Verhältnis ist niedrig (oft unter 0.5) [^RFRRatioShade].
  • Das Photostationäre Gleichgewicht (PSS): Das Verhältnis von Pfr zur Gesamtmenge Phytochrom (Pfr / [Pr + Pfr]) nennt man das Photostationäre Gleichgewicht (PSS) [^PhytochromePSS]. Es spiegelt direkt das R:FR-Verhältnis wider: Hohes R:FR (Sonne) -> Hohes PSS (viel Pfr). Niedriges R:FR (Schatten) -> Niedriges PSS (wenig Pfr).

  • Die Flucht aus dem Schatten (Shade Avoidance Syndrome, SAS): Was passiert nun, wenn eine Pflanze ein niedriges R:FR-Verhältnis (und damit ein niedriges PSS) wahrnimmt? Sie interpretiert das als Signal: “Achtung, Konkurrenz! Ich stehe im Schatten oder drohe, beschattet zu werden!” Daraufhin löst sie ein ganzes Bündel von Reaktionen aus, das Schattenfluchtsyndrom (SAS), primär vermittelt durch Phytochrom B (PhyB) [^SASReview]:

    • Verstärktes Längenwachstum: Die Stängel (Internodien) und Blattstiele strecken sich überproportional, um schnell aus dem Schatten herauszuwachsen.
    • Aufrichtung der Blätter (Hyponastie): Die Blätter werden steiler gestellt, um Licht “von oben” besser einzufangen und Selbstbeschattung zu reduzieren.
    • Reduzierte Verzweigung: Die Pflanze investiert weniger Energie in Seitentriebe und konzentriert sich auf das Höhenwachstum.
    • Beschleunigte Blüte: Viele Pflanzen versuchen, unter Schattenbedingungen schneller zur Blüte und Samenbildung zu kommen, um die Reproduktion zu sichern, bevor es zu dunkel wird.
    • Veränderte Blattmorphologie: Blätter werden oft dünner und haben eine geringere Masse pro Fläche (LMA).

Das SAS ist eine clevere evolutionäre Strategie zur Konkurrenzvermeidung. Das Spannende ist, dass die Pflanze das niedrige R:FR oft schon wahrnimmt, bevor sie direkt beschattet wird (z.B. durch von Nachbarn reflektiertes FR-Licht) und präventiv reagiert! [^EarlySASDetection]

Für uns Grower kann das SAS aber auch Nachteile haben: Zu stark gestreckte Pflanzen (“Vergeilung”) sind oft instabil und knicken leicht um (Lagerneigung). Die Konzentration auf Höhenwachstum kann zulasten der Blütenbildung oder Wurzelentwicklung gehen.

Molekular läuft das (vereinfacht) so ab: Bei hohem PSS (Sonne) unterdrückt Pfr bestimmte Proteine, die sogenannten Phytochrome Interacting Factors (PIFs). Bei niedrigem PSS (Schatten) wird diese Unterdrückung aufgehoben, die PIFs werden aktiv und kurbeln Gene an, die z.B. über den Auxin-Hormonweg das Streckungswachstum fördern [^PIFMechanism].

Herr Brackhaus’ Beobachtung: Sorten reagieren unterschiedlich! Das ist etwas, was man im Anbau immer wieder sieht: Stellt man verschiedene Cannabis-Sorten dicht nebeneinander, reagieren sie ganz unterschiedlich auf die Anwesenheit der Nachbarn. Manche Sativa-dominanten Sorten scheinen förmlich zu explodieren und schießen in die Höhe, sobald sie Konkurrenz spüren – ein klares SAS. Andere, eher Indica-geprägte Sorten, bleiben deutlich kompakter und scheinen sich vom Nachbarn weniger beeindrucken zu lassen. Das liegt an ihrer Genetik und daran, wie empfindlich ihr Phytochromsystem (insbesondere PhyB) auf das veränderte R:FR-Verhältnis reagiert. Das ist wichtig zu wissen für die Planung der Pflanzabstände und die Auswahl der Sorten für den jeweiligen Platz!

Blaues Licht & UV-A: Kommando für Kompaktheit und Sonnenkurs (Kryptochrome & Phototropine)

Neben dem Rot/FR-System ist das Blaulicht-System der zweite wichtige Signalweg. Blaues Licht (~400-500 nm) und UV-A (315-400 nm) werden von zwei weiteren Rezeptorklassen wahrgenommen: Kryptochromen (CRYs) und Phototropinen (PHOTs). Sie steuern eine Vielzahl lebenswichtiger Prozesse:

  • De-Etiolierung (Entwicklung im Licht): Wenn ein Keimling aus der dunklen Erde ans Licht kommt, ist Blaulicht das Signal für eine radikale Umstellung (gesteuert v.a. durch CRYs): Das exzessive Längenwachstum des Keimstängels (Hypokotyl) wird gestoppt, die Keimblätter entfalten sich, werden grün (Chlorophyllsynthese wird angestoßen) und beginnen mit der Photosynthese [^CryptochromeDeetiolation].
  • Hemmung der Streckung (Kompakter Wuchs): Auch bei etablierten Pflanzen führt Blaulicht generell zu einem kompakteren Wuchs mit kürzeren Internodien und oft dickeren, dunkelgrüneren Blättern. Das ist quasi der Gegenspieler zur FR-induzierten Streckung [^BlueLightMorphology]. Das Verhältnis von Blau zu Rot im Lichtspektrum ist daher ein wichtiges Werkzeug für uns, um die Pflanzenhöhe zu steuern.
  • Phototropismus (Wachstum zum Licht): Sicher hat jeder schon mal beobachtet, wie sich Pflanzen zum Fenster neigen. Diese gerichtete Wachstumsbewegung zum blauen Licht hin wird durch die Phototropine vermittelt [^PhototropinReview]. Sie sorgt dafür, dass die Pflanze ihre Blätter optimal zur Lichtquelle ausrichtet, um die Photosynthese zu maximieren.
  • Stomataöffnung: Blaues Licht ist ein wichtiges Signal für die Poren auf der Blattunterseite (Stomata), sich zu öffnen [^BlueLightStomata]. Das ist essenziell, damit die Pflanze $CO_2$ für die Photosynthese aufnehmen kann (führt aber auch zu Wasserverlust durch Transpiration). Auch hier sind die Phototropine die Hauptakteure.
  • Chloroplastenbewegung: Phototropine steuern auch die Bewegung der Chloroplasten innerhalb der Zellen. Bei Schwachlicht sammeln sich die Chloroplasten an der Zelloberfläche, um möglichst viel Licht einzufangen (Akkumulationsreaktion). Bei Starklicht (insbesondere hohem Blaulichtanteil) wandern sie an die Zellwände, um sich vor zu viel Energie zu schützen (Vermeidungsreaktion) [^ChloroplastMovement]. Ein cleverer Mechanismus zur Optimierung und zum Schutz!
  • Weitere Rollen: Kryptochrome sind auch an der Synchronisation der inneren Uhr (zirkadianer Rhythmus) mit dem Tag-Nacht-Wechsel beteiligt und können die Produktion von Anthocyanen (violette Schutzpigmente) fördern [^CryptochromeReview].

UV-A wird ebenfalls von CRYs und PHOTs absorbiert und trägt daher zu vielen dieser Blaulicht-Reaktionen bei. Es gibt aber auch Hinweise auf spezifische UV-A-Wirkungen.

Das verkannte Grün: Mehr als nur “nutzlos”?

Lange Zeit dachte man, grünes Licht (~500-600 nm) sei für die Photomorphogenese ziemlich irrelevant, da es von den Hauptrezeptoren kaum absorbiert wird. Das Bild wird aber langsam differenzierter:

  • Antagonismus zu Blau: Es gibt Hinweise, dass grünes Licht bestimmte Blaulicht-Reaktionen (via Kryptochrome) wieder aufheben oder abschwächen kann, z.B. die Hemmung des Hypokotylwachstums oder die Stomataöffnung [^GreenLightBlueLight].
  • Schattensignal?: Da grünes Licht Blätter relativ gut durchdringt (ähnlich wie FR, aber anders als R und B), könnte es zusammen mit FR als zusätzliches Signal für Beschattung dienen [^GreenLightShade].
  • Wachstumseffekte?: Die Wirkung auf das Wachstum ist uneinheitlich und scheint artspezifisch zu sein. Manchmal wird leichte Streckung beobachtet, manchmal nicht [^GreenLightGrowth].
  • Rezeptor?: Ob es einen spezifischen Grünlichtrezeptor gibt oder ob die Effekte über schwache Absorption durch CRYs/PHYs zustande kommen, ist noch unklar [^GreenLightReceptor].

Was bedeutet das für uns? Hauptsächlich Vorsicht!

Herr Brackhaus warnt: Auch wenn die Forschung zu Grünlicht noch läuft: Verlasst euch niemals darauf, dass grünes Licht “sicher” ist, um nachts im Growroom zu arbeiten, wenn ihr photoperiodische Pflanzen in der Blüte habt! Auch wenn unser Auge bei Grün sehr empfindlich ist und wir schon bei geringen Intensitäten gut sehen können, reagieren die pflanzlichen Rezeptoren möglicherweise doch empfindlicher als gedacht. Die Gefahr, die kritische Dunkelphase zu stören und damit die Blüte zu gefährden oder Zwitter auszulösen, ist einfach zu groß. Mein Rat: Wenn ihr nachts unbedingt an die Pflanzen müsst (was man vermeiden sollte!), dann verwendet wenn überhaupt nur extrem schwaches, spezialisiertes Licht und nur für kürzeste Zeit – oder besser: Lasst es ganz bleiben! Absolute Dunkelheit ist heilig!

Die Photomorphogenese ist also ein unglaublich komplexes System, bei dem die Pflanze über verschiedene Rezeptoren Informationen über ihre Lichtumgebung sammelt und darauf mit präzisen Wachstums- und Entwicklungsanpassungen reagiert. Das Verständnis dieser Zusammenhänge hilft uns enorm, die Wirkung unterschiedlicher Lichtspektren und Anbaubedingungen zu deuten.

Die Dunkelphase: Gold wert für Wachstum und Blüte!

Wir reden die ganze Zeit über Licht, seine Intensität, sein Spektrum, seine Wirkung. Aber was passiert eigentlich, wenn das Licht ausgeht? Ist die Dunkelphase nur eine passive Ruhepause für unsere Pflanzen? Weit gefehlt! Gerade für Cannabis ist die Dunkelheit eine hochaktive und kritisch wichtige Zeit, die über Gedeih oder Verderb, über vegetative Power oder üppige Blütenpracht entscheidet. Wer die Bedeutung der Nacht nicht versteht, wird beim Cannabisanbau Schiffbruch erleiden – das garantiere ich euch!

Photoperiodismus bei Cannabis: Der Blüteauslöser

Die meisten Cannabis-Sorten, die wir anbauen (mit Ausnahme der Autoflowers, dazu gleich mehr), gehören zu den sogenannten fakultativen Kurztagpflanzen (KTP) [^CannabisSDP]. Das bedeutet, ihr Übergang vom vegetativen Wachstum zur Blütephase wird nicht primär durch die Länge des Tages, sondern durch die Länge der Nacht ausgelöst. Genauer gesagt: durch eine ununterbrochene Dunkelperiode, die eine bestimmte kritische Dauer überschreitet [^CriticalNightLength].

  • Das 12/12-Signal: Im Indoor-Anbau ist es daher Standard, die Blüte einzuleiten, indem man den Lichtzyklus auf 12 Stunden Licht und 12 Stunden Dunkelheit (12/12) umstellt. Diese 12 Stunden ununterbrochene Dunkelheit sind für fast alle photoperiodischen Cannabis-Sorten ein klares Signal: “Okay, die Tage werden kürzer, der Herbst naht, es ist Zeit zu blühen und für Nachkommen zu sorgen!”
  • Die Nacht ist entscheidend, nicht der Tag! Es ist wirklich die Länge der kontinuierlichen Dunkelheit, die zählt. Selbst kurze Lichtblitze während dieser kritischen Nacht können die innere Uhr der Pflanze stören und die Blüte verhindern, verzögern oder sogar zu Problemen wie Zwittrigkeit führen (mehr dazu im Abschnitt Lichtstress) [^LightPollutionEffects].
  • Variation der kritischen Nachtlänge: Interessanterweise ist die exakt benötigte kritische Nachtlänge nicht bei allen Sorten gleich. Während 12 Stunden Dunkelheit ein sicherer Standard sind, gibt es Genotypen, die schon bei etwas kürzeren Nächten (z.B. 11 oder sogar nur 10.8 Stunden Dunkelheit) in die Blüte gehen [^NightLengthVariation1]. Andere brauchen vielleicht die vollen 12 Stunden oder sogar etwas mehr. Wird die Dunkelperiode aber zu kurz (z.B. unter 10 Stunden, also mehr als 14 Stunden Licht), wird die Blüte bei den meisten Sorten stark verzögert oder bleibt ganz aus [^NightLengthVariation1].
  • Herkunft spielt eine Rolle: Diese Variation hängt oft mit der geografischen Herkunft der Landrassen zusammen, aus denen unsere modernen Sorten gezüchtet wurden [^CannabisLandracesLight]. Sorten aus äquatorialen Regionen (mit ganzjährig ~12 Stunden Nacht) haben sich anders angepasst als Sorten aus gemäßigten Breiten oder Gebirgsregionen (mit ausgeprägten Jahreszeiten und kürzer werdenden Tagen im Herbst). Äquatoriale Sativas benötigen oft eine sehr strikte und lange Dunkelphase, während manche Indicas vielleicht etwas flexibler sind.
  • Die Ausnahme: Autoflowers: Selbstblühende Sorten (Autoflowers), die Genetik von Cannabis ruderalis enthalten, sind hier die große Ausnahme. Ihre Blüte wird nicht durch die Photoperiode, sondern durch ihr Alter ausgelöst [^AutoflowerGenetics]. Sie brauchen keine spezifische Dunkelperiode zum Blühen und können theoretisch unter 18/6, 20/4 oder sogar 24/0 Licht angebaut werden (obwohl eine kurze Dunkelphase auch für sie oft als vorteilhaft für die allgemeine Pflanzengesundheit angesehen wird). Für Autoflowers gelten die strengen Regeln zur Dunkelphase also nicht!

Praktischer Tipp von Herr Brackhaus: Der 12/12-Lichtzyklus ist der bewährte und sicherste Weg, um photoperiodische Cannabis-Sorten zur Blüte zu bringen. Wenn ihr aber experimentierfreudig seid und eure Sorte gut kennt (vielleicht wisst ihr aus Züchterangaben oder eigener Erfahrung, dass sie eine kürzere kritische Nachtlänge hat), könntet ihr versuchen, die Lichtphase leicht zu verlängern (z.B. 13 Stunden Licht / 11 Stunden Dunkelheit). Das würde den täglichen Lichtintegral (DLI) erhöhen und potenziell zu mehr Ertrag führen. Aber das ist ein Spiel mit dem Feuer! Wenn die Nacht zu kurz wird, riskiert ihr Blühverzögerung oder Probleme. Für den Anfang und für unbekannte Sorten: Bleibt bei 12/12! [^DLIvsPhotoperiod]

Der Phytochrom-Timer in Aktion: Wie die Pflanze die Nacht misst

Wie “weiß” die Pflanze denn nun, wie lang die Nacht war? Hier kommt wieder unser Freund, das Phytochrom-System, ins Spiel, diesmal aber in seiner Rolle als präziser Zeitmesser:

  • Dunkelreversion als Uhr: Wir erinnern uns: Am Ende des Tages liegt in der Pflanze viel aktives Pfr-Phytochrom vor (durch das rote Licht des Tages). Sobald es komplett dunkel wird, beginnt Pfr langsam, sich wieder in die inaktive Pr-Form umzuwandeln (oder wird abgebaut). Dieser Prozess, die Dunkelreversion, läuft mit einer relativ konstanten Rate ab (die Halbwertszeit liegt oft bei etwa 2-3 Stunden) [^PfrReversion].
  • Der kritische Schwellenwert: Die Pflanze misst nun quasi, wie lange der Pfr-Spiegel unter einem bestimmten kritischen Schwellenwert bleibt. Nur wenn die Dunkelheit lange genug andauert, damit ausreichend Pfr zu Pr zurückkonvertiert wird und der Pfr-Spiegel für eine bestimmte Zeit unter dieser Schwelle liegt, wird das Blühsignal ausgelöst [^PfrThresholdFlowering]. Eine kurze Nacht reicht dafür nicht aus, der Pfr-Spiegel bleibt zu hoch.
  • Verbindung zu Blühgenen: Dieser niedrige Pfr-Spiegel während einer langen Nacht führt dazu, dass die Unterdrückung bestimmter Gene aufgehoben wird. Gene wie FT (Flowering Locus T), dessen Protein oft als “Florigen” (Blühhormon) bezeichnet wird, und CONSTANS (CO) werden aktiviert [^FTGeneCO]. Das FT-Protein wandert dann zur Sprossspitze und initiiert dort die Umwandlung vom vegetativen Meristem zum Blütenmeristem – die Pflanze beginnt, Blüten zu bilden! [^FlorigenMechanism]

Die Variation in der kritischen Nachtlänge verschiedener Sorten könnte also damit zusammenhängen, wie schnell bei ihnen die Pfr-Dunkelreversion abläuft oder wie empfindlich ihre nachgeschalteten Signalwege auf den Pfr-Spiegel reagieren. Ein komplexes, aber faszinierendes System!

Stoffwechsel im Dunkeln: Respiration und Energieverwaltung

Auch wenn die Photosynthese im Dunkeln ruht – die Pflanze schläft nicht! Im Gegenteil, wichtige Stoffwechselprozesse laufen weiter:

  • Zellatmung (Respiration): Die tagsüber durch Photosynthese produzierten Zucker werden nun in den Mitochondrien der Zellen wieder abgebaut, um Energie (ATP) für Lebensprozesse zu gewinnen. Diese Energie wird für die Erhaltung der Zellfunktionen, für Reparaturprozesse und auch für Wachstum benötigt, das durchaus auch nachts stattfinden kann (z.B. Streckungswachstum) [^PlantRespiration]. Bei der Atmung wird $CO_2$ freigesetzt – die Pflanze “atmet” also nachts $CO_2$ aus, während sie es tagsüber aufnimmt.
  • Verarbeitung und Transport: Die Dunkelphase wird auch genutzt, um die tagsüber produzierten Stoffe zu verarbeiten, zu transportieren und einzulagern.

Die Dunkelheit ist also keine passive Pause, sondern eine essenzielle Phase für das Energiemanagement und die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen. Ein ausgewogenes Verhältnis von Licht- (Energieproduktion) und Dunkelphase (Energieverbrauch und Verarbeitung) ist entscheidend für ein gesundes Wachstum.

Hormonhaushalt und Circadiane Rhythmen

Der Wechsel von Licht und Dunkelheit ist der wichtigste Taktgeber für die innere Uhr der Pflanze, den zirkadianen Rhythmus [^CircadianClockPlants]. Photorezeptoren wie Phytochrome und Kryptochrome helfen, diese innere Uhr mit dem äußeren 24-Stunden-Zyklus zu synchronisieren. Diese Uhr steuert unzählige Prozesse im Tagesverlauf, von der Genexpression über die Empfindlichkeit gegenüber Hormonen bis hin zu Blattbewegungen.

Die Dunkelphase ist entscheidend, um diese Uhr korrekt zu “stellen” und aufrechtzuerhalten. Der Zustand des Phytochromsystems (hoch Pfr am Tag, niedrig Pfr nach langer Nacht) beeinflusst auch direkt hormonelle Gleichgewichte (z.B. von Auxinen, Gibberellinen), die wiederum Wachstumsprozesse wie Streckung oder eben die Blüte steuern. Die Nacht ist also auch eine wichtige Zeit für hormonelle Signale und die Vorbereitung auf den nächsten Tag.

Mythos Pre-Harvest Dunkelheit: Mehr Harz durch Lichtentzug?

Ein Thema, das in Grower-Kreisen immer wieder heiß diskutiert wird: Soll man die Pflanzen kurz vor der Ernte für 24, 48 oder gar 72 Stunden komplett im Dunkeln lassen, um angeblich die Harz-, THC- oder Terpenproduktion zu steigern? Die Theorien dahinter klingen manchmal plausibel: Stress soll die Produktion anregen, Terpene würden im Dunkeln weniger verfliegen, Zucker würden in die Wurzeln verlagert, was den Geschmack verbessert, Chlorophyll würde abgebaut… [^PreHarvestDarknessMyth]

Aber was sagt die Wissenschaft dazu? Ehrlich gesagt: Es gibt kaum bis keine soliden wissenschaftlichen Belege dafür, dass eine solche verlängerte Dunkelphase kurz vor der Ernte die Cannabinoid- oder Terpenkonzentrationen signifikant steigert! [^PreHarvestDarknessStudies]

  • Energie fehlt: Die Synthese dieser komplexen Moleküle kostet Energie (ATP, NADPH) und Kohlenstoffbausteine (Zucker) – alles Produkte der Photosynthese, die im Dunkeln nicht stattfindet. Eine Netto-Neuproduktion ist also unwahrscheinlich.
  • Terpenerhalt?: Dass Terpene bei Dunkelheit und Kühle weniger verfliegen, ist zwar korrekt [^TerpeneVolatility]. Das mag erklären, warum der Geruch morgens oft intensiver ist. Aber eine längere Dunkelphase stoppt eben auch die Neuproduktion.
  • Stress: Ob der unspezifische Stress durch Lichtentzug tatsächlich die Produktion erwünschter Sekundärmetaboliten fördert, ist fraglich. Stress kann auch zu unerwünschten Effekten führen.

Meine Einschätzung als Herr Brackhaus: Ich halte von dieser Pre-Harvest-Dunkelheits-Geschichte nicht viel. Die Energie für die Harzproduktion wird während der gesamten Blütephase unter Licht gebildet. Die entscheidenden Faktoren für hohe Cannabinoid- und Terpenwerte sind eine gesunde Pflanze, die richtige Genetik und optimale Bedingungen während der Blüte (ausreichend Licht, gutes Klima, passende Nährstoffe). Die letzten 1-3 Tage im Dunkeln machen den Kohl meiner Erfahrung nach nicht fett und sind eher Voodoo als Wissenschaft. Konzentriert euch lieber darauf, den optimalen Erntezeitpunkt anhand der Trichome zu bestimmen (dazu kommen wir in Teil 10)!

Zusammenfassend ist die Dunkelphase für photoperiodisches Cannabis also absolut kritisch für die Einleitung und Aufrechterhaltung der Blüte. Sie ist eine aktive Zeit für Stoffwechsel und hormonelle Regulation. Ihre ununterbrochene Dauer ist der Schlüssel – Störungen können fatale Folgen haben, wie wir im Abschnitt über Lichtstress noch sehen werden.

Das Vorbild Natur: Sonnenlicht – Dynamik pur!

Nach all der Theorie über Physik, Photosynthese und Photomorphogenese wollen wir uns nun der Lichtquelle zuwenden, die das alles erst ermöglicht hat und an die sich unsere Pflanzen über Jahrmillionen angepasst haben: dem natürlichen Sonnenlicht. Auch wenn wir im Indoor-Anbau versuchen, die Sonne mit künstlichem Licht zu imitieren – das Original bleibt unerreicht in seiner Komplexität und Dynamik. Es zu verstehen hilft uns aber enorm, die Bedürfnisse unserer Pflanzen besser einzuschätzen.

Das Spektrum der Sonne: Was wirklich bei uns ankommt

Das Licht, das die Sonne ins All strahlt, hat ein sehr breites Spektrum, das ungefähr dem eines glühend heißen Körpers bei ca. 5770 Kelvin entspricht [^SunSpectrum]. Doch auf dem Weg durch die Erdatmosphäre passiert einiges:

  • Atmosphärische Filterung: Verschiedene Gase in der Atmosphäre absorbieren bestimmte Wellenlängen. Wie schon erwähnt, schluckt Ozon fast das gesamte UV-C und einen Großteil des UV-B [^UVAtmosphere]. Wasserdampf und $CO_2$ absorbieren stark im Infrarotbereich [^IRAtmosphereAbsorption]. Das Spektrum, das am Boden ankommt, ist also bereits “gefiltert”.
  • Streuung: Licht wird an den Molekülen der Luft (Stickstoff, Sauerstoff) gestreut. Dieser Effekt, die Rayleigh-Streuung, ist für kurzwelliges (blaues) Licht viel stärker als für langwelliges (rotes) Licht – deshalb erscheint uns der Himmel blau! [^RayleighScattering]. Licht wird auch an größeren Partikeln wie Wassertröpfchen in Wolken oder Staub (Mie-Streuung) gestreut, was zu diffusem Himmelslicht führt.
  • Das Ergebnis am Boden: Das Sonnenlicht, das uns und unsere Pflanzen erreicht, ist eine Mischung aus direkter Sonneneinstrahlung und diffusem Himmelslicht. Es enthält das gesamte PAR-Spektrum (ca. 40-50% der Gesamtenergie), signifikante Anteile an Infrarot (Wärme) und immer noch biologisch relevante Mengen an UV-A und UV-B (deren Anteil mit der Höhe über dem Meeresspiegel und geringerer Bewölkung zunimmt) [^SunlightSurface]. Das genaue Spektrum ist aber nicht konstant, sondern ändert sich im Tages- und Jahresverlauf.

Licht im Wandel: Tages- und Jahreszeiten, Wetter und Standort (DLI in Deutschland)

Das vielleicht wichtigste Merkmal des natürlichen Lichts ist seine extreme Dynamik:

  • Tageszeitliche Schwankungen: Die Lichtintensität (PPFD) folgt der bekannten Glockenkurve: von Null bei Sonnenaufgang über ein Maximum zur Mittagszeit (wenn die Sonne am höchsten steht) bis wieder Null bei Sonnenuntergang. An einem klaren Sommertag können mittags PPFD-Werte von über 2000 µmol/m²/s erreicht werden! Auch das Spektrum ändert sich: Morgens und abends, wenn das Licht einen längeren Weg durch die Atmosphäre zurücklegt, wird mehr blaues Licht weggestreut, der Rot- und Fernrotanteil ist relativ höher, das R:FR-Verhältnis ist also niedriger als am Mittag [^DiurnalSpectrumChange]. Das sind wichtige Signale für die Pflanze (z.B. für die innere Uhr).
  • Saisonale Änderungen in Deutschland (Beispiel ~51° N): Hier bei uns in Nettetal, wie in weiten Teilen Deutschlands auf etwa 50-51 Grad nördlicher Breite, sind die jahreszeitlichen Unterschiede gravierend:
    • Photoperiode (Tageslänge): Im Hochsommer (Juni/Juli) haben wir lange Tage mit bis zu 16-17 Stunden Licht, im tiefsten Winter (Dezember/Januar) sind es nur karge 7-8 Stunden. Dieser Wechsel der Tageslänge ist der primäre Auslöser für die Blüte bei photoperiodischen Cannabis-Sorten im Herbst.
    • Lichtintensität & DLI: Nicht nur die Dauer, auch die Intensität ändert sich dramatisch. Im Sommer steht die Sonne hoch am Himmel, die Strahlung trifft steiler auf und liefert viel Energie. Im Winter steht sie flach, die gleiche Energiemenge verteilt sich auf eine größere Fläche, und die Intensität ist viel geringer. Das schlägt sich im Daily Light Integral (DLI) nieder: Während an klaren Sommertagen DLI-Werte von 40, 50 oder sogar über 60 $mol/m^2/d$ erreicht werden können, sind es an klaren Wintertagen oft nur 5-15 $mol/m^2/d$.
  • Wetter & Bewölkung: Der mit Abstand größte Störfaktor ist das Wetter. Eine dichte Wolkendecke kann die PPFD und damit den DLI um 80-90% oder mehr reduzieren! [^CloudCoverDLI] An einem richtig trüben Novembertag hier am Niederrhein kommt manchmal fast gar kein nutzbares Licht mehr unten an (DLI < 2-3 $mol/m^2/d$). Wolken erhöhen auch den Anteil an diffusem Licht.
  • DLI-Limitierung in Deutschland: Für den Outdoor-Anbau von Cannabis in Deutschland bedeutet das: Wir sind fast immer DLI-limitiert, außer vielleicht im Hochsommer bei bestem Wetter. Die Pflanzen bekommen selten die Lichtmenge, die sie für maximales Wachstum und Ertrag eigentlich verarbeiten könnten (vgl. unsere Indoor-Ziele von 30-50+ DLI in der Blüte!). Das erklärt, warum Outdoor-Erträge hierzulande oft deutlich geringer ausfallen als in sonnigeren Gefilden oder Indoor unter optimierter Beleuchtung. Auch im Gewächshaus wird der DLI durch die Konstruktion und Eindeckung reduziert, selbst im Sommer erreicht man selten die vollen Außenwerte.

Herr Brackhaus’ Beobachtung: Jeder, der hierzulande schon mal Outdoor angebaut hat, kennt das: Man freut sich über jeden Sonnentag! Gerade im Spätsommer und Frühherbst, wenn die Pflanzen blühen und eigentlich viel Energie bräuchten, werden die Tage kürzer und das Wetter oft schlechter. Das ist ein Wettlauf gegen die Zeit und das Licht. Manchmal muss man Kompromisse beim Erntezeitpunkt machen, weil die Lichtmenge einfach nicht mehr reicht, um die Blüten voll ausreifen zu lassen. Das ist die Realität nördlich der Alpen!

Angepasst ans Licht: Von Sonnen-/Schattenpflanzen und Cannabis-Landrassen

Pflanzen sind Meister der Anpassung. Über Jahrmillionen haben sie Strategien entwickelt, um mit den Lichtbedingungen an ihrem Standort zurechtzukommen:

  • Sonnen- vs. Schattenpflanzen: Das klassische Beispiel. Sonnenpflanzen (wie Cannabis) sind an hohe Lichtintensitäten angepasst. Sie haben hohe Lichtsättigungspunkte, dicke Blätter, oft mehrere Schichten von Palisadenzellen zur Photosynthese und effektive Schutzmechanismen gegen zu viel Licht [^SunShadePlants]. Schattenpflanzen hingegen sind auf Effizienz bei Schwachlicht getrimmt: niedriger Lichtkompensationspunkt, dünne Blätter, mehr Lichtsammelpigmente [^SunShadePlants]. Auch an einer einzelnen Pflanze findet man oft Sonnenblätter oben und Schattenblätter unten.
  • Cannabis-Landrassen (Bezug zu Kapitel 5): Die ursprünglichen Cannabis-Populationen (Landrassen) zeigen wunderschön die Anpassung an ihr jeweiliges Lichtklima:
    • Äquatoriale Sativas (z.B. aus Thailand, Kolumbien): Stammen aus Regionen mit ganzjährig hoher Lichtintensität (hohe DLI) und ~12 Stunden Tageslänge. Ergebnis: Oft hochwüchsig, lange Blütezeit, brauchen klare 12/12-Umstellung [^SativaLandrace].
    • Indicas aus Gebirgsregionen/höheren Breiten (z.B. Afghanistan, Pakistan): Angepasst an starke saisonale Schwankungen, kürzere Sommer, oft hohe UV-Strahlung in den Bergen. Ergebnis: Kompakter Wuchs, breite Blätter, kurze Blütezeit, oft sehr harzig (möglicherweise als UV-Schutz) [^IndicaLandrace].
    • Ruderalis-Typen (z.B. aus Sibirien): Angepasst an extrem kurze Sommer mit sehr langen Tagen. Ergebnis: Kleinwüchsig und autoflowering – die Blüte wird altersabhängig ausgelöst, unabhängig von der Tageslänge, um den Zyklus im kurzen Zeitfenster abzuschließen [^RuderalisAutoflower].

Dieses Verständnis der natürlichen Anpassungen hilft uns enorm bei der Sortenwahl und der Gestaltung unserer künstlichen Lichtumgebung. Eine Sativa unter schwachem Licht zu ziehen, wird genauso wenig Freude machen wie eine Indica mit zu wenig Platz im Zelt.

Zuviel des Guten: Wenn Licht zur Qual wird (Lichtstress)

Mehr ist nicht immer besser – diese alte Weisheit gilt ganz besonders für die Beleuchtung unserer Cannabis-Pflanzen. Obwohl Cannabis als Sonnenpflanze gilt und hohe Lichtintensitäten liebt, gibt es Grenzen. Wird diese Grenze überschritten oder ändern sich die Lichtbedingungen zu schnell, gerät die Pflanze unter Lichtstress. Das kann von einer leichten Reduzierung der Photosynthese-Leistung bis hin zu sichtbaren Verbrennungen und massivem Ertragsverlust reichen. Schauen wir uns die wichtigsten Formen von Lichtstress an.

Photoinhibition: Der “Sonnenbrand” der Photosynthese

Das ist der grundlegende Prozess, der hinter vielen Lichtstress-Symptomen steckt. Photoinhibition bedeutet, dass die Fähigkeit der Pflanze zur Photosynthese durch zu viel Licht gehemmt wird [^PhotoinhibitionDefinition]. Das passiert, wenn die Lichtsammelkomplexe mehr Lichtenergie absorbieren, als die nachgeschalteten Prozesse (Elektronentransportkette, Calvin-Zyklus) sicher verarbeiten oder als Wärme ableiten können (dieser Schutzmechanismus heißt Non-Photochemical Quenching, NPQ) [^NPQMechanism].

  • Der Mechanismus: Die überschüssige Energie führt zur Bildung von hochreaktiven Sauerstoffspezies (ROS), quasi aggressive kleine Moleküle, die Zellstrukturen angreifen. Besonders empfindlich ist das Photosystem II (PSII), genauer gesagt das D1-Protein in seinem Reaktionszentrum. Dieses Protein wird durch die überschüssige Energie und die ROS leicht beschädigt oder zerstört [^D1ProteinDamage].
  • Dynamisch vs. Chronisch: Man unterscheidet zwei Formen:
    • Dynamische Photoinhibition: Das ist eine kurzfristige, reversible Schutzreaktion. Die Pflanze reduziert aktiv die Effizienz von PSII (z.B. durch NPQ), um Schäden zu vermeiden. Das ist normal und passiert oft an sehr sonnigen Tagen zur Mittagszeit. Die volle Leistungsfähigkeit wird wiederhergestellt, sobald die Lichtintensität sinkt [^DynamicPhotoinhibition].
    • Chronische Photoinhibition: Hier kommt es zu tatsächlichen Schäden am Photosyntheseapparat, weil die Schutzmechanismen überlastet sind oder die Reparatur nicht schnell genug nachkommt. Das führt zu einer längerfristigen Reduktion der Photosynthesekapazität [^ChronicPhotoinhibition].
  • Reparaturzyklus: Die Pflanze versucht ständig, beschädigte D1-Proteine zu reparieren, indem sie abgebaut und neu synthetisiert werden. Dieser Reparaturprozess kostet aber Energie und funktioniert nur, wenn die Bedingungen ansonsten gut sind. Chronische Photoinhibition tritt auf, wenn die Rate der Schädigung die Rate der Reparatur übersteigt [^D1RepairCycle].
  • Was fördert Photoinhibition? Neben zu hoher Lichtintensität (PPFD) gibt es weitere Faktoren, die das Risiko erhöhen:
    • Plötzliche Lichtänderungen: Eine Pflanze, die an Schwachlicht gewöhnt ist und plötzlich in die pralle Sonne oder unter eine starke Lampe gestellt wird, ist extrem anfällig.
    • Ungünstige Temperaturen: Sowohl Kälte als auch Hitze können die Reparaturmechanismen hemmen und die Anfälligkeit erhöhen.
    • Trockenstress: Wenn die Stomata geschlossen sind, kann kein $CO_2$ fixiert werden, die Energie staut sich auf.
    • Nährstoffmangel: Fehlen wichtige Bausteine, funktioniert die Photosynthese und Reparatur schlechter.
    • UV-Strahlung und blaues Licht: Diese energiereichen Wellenlängen können Photoinhibition besonders stark auslösen [^BlueLightUVPhotoinhibition].
  • Symptome: Das erste, oft unsichtbare Zeichen ist eine Reduktion der maximalen Quanteneffizienz von PSII (Fv/Fm), die man mit speziellen Messgeräten (Chlorophyll-Fluorometern) messen kann [^FvFm]. Sichtbar wird es erst bei stärkerer oder länger andauernder Photoinhibition durch Ausbleichen oder Vergilben (Chlorose) der Blätter, da das Chlorophyll abgebaut wird [^PhotoinhibitionSymptoms].

Photoinhibition ist also ein Zeichen dafür, dass das Gleichgewicht zwischen Lichtaufnahme und Energieverarbeitung gestört ist.

UV-Stress: Von DNA-Schäden bis Wachstumsstopp

UV-Strahlung, besonders UV-B, ist nicht nur ein potenzieller Auslöser für Photoinhibition, sondern kann auch direkten Schaden anrichten:

  • DNA-Schäden: Wie erwähnt, verursacht UV-B Brüche und Verknüpfungen (Dimere wie CPDs, 6-4PPs) in der DNA-Doppelhelix, was die Zellteilung und Genexpression stört [^UVBDNA]. Die Pflanze hat zwar Reparaturenzyme (u.a. Photolyasen, die UV-A/blaues Licht zur Aktivierung brauchen [^Photolyase]), aber bei zu hoher Belastung kommen diese nicht hinterher.
  • Oxidativer Stress: UV fördert massiv die Bildung von ROS, die dann Proteine, Fette in Zellmembranen und andere wichtige Moleküle angreifen und zerstören [^UVROS].
  • Wachstumshemmung: Die Summe dieser Schäden führt fast immer zu einer Reduktion des Wachstums und der Biomasseproduktion [^UVGrowthInhibition].
  • Sichtbare Symptome: Neben Vergilbung und Nekrosen können bei starkem UV-Stress auch Blattkräuselungen, Verdickungen, eine Reduzierung der Blattfläche und verstärkte Rot-/Violettfärbung (Anthocyane) auftreten. Speziell bei Cannabis wurde auch eine unschöne Bräunung der Blütennarben (Stigmen) unter UV-B beobachtet [^CannabisUVStigma].

UV-Stress ist also eine ernste Gefahr, die man nicht unterschätzen sollte.

Lichtbrand erkennen und vermeiden (LED vs. NDL/MH)

Wenn Grower von “Lichtbrand” sprechen, meinen sie meist die sichtbaren Symptome schwerer, chronischer Photoinhibition und Photooxidation, also die Endstufe des Lichtstresses [^LightBurnDefinition].

  • Typische Symptome:

    • Ausbleichen (Bleaching): Die am stärksten betroffenen Blätter (meist die oberen, direkt unter der Lampe) werden weiß oder hellgelb, da das Chlorophyll komplett zerstört ist.
    • Vergilbung (Chlorose): Oft beginnend zwischen den Blattadern.
    • Nekrosen: Braune, trockene, abgestorbene Flecken oder Blattränder.
    • Blattverformungen: Die Blattränder rollen sich oft nach oben (“Tacoing”) oder die Blattspitzen krallen sich nach unten (“Clawing”).
    • Wachstumsstopp: Die betroffenen Pflanzenteile stellen das Wachstum ein.
    • Qualitätsverlust bei Blüten: Ausgeblichene Cannabisblüten sehen nicht nur unschön aus, sie haben oft auch deutlich reduzierte Konzentrationen an Cannabinoiden und Terpenen! [^BleachedBuds] Der ganze Aufwand war dann umsonst.
  • Abgrenzung von Nährstoffproblemen: Lichtbrand tritt typischerweise an den obersten, dem Licht am nächsten befindlichen Blättern auf. Nährstoffmängel zeigen sich oft zuerst an älteren, unteren Blättern (bei mobilen Nährstoffen wie N) oder als spezifische Muster. Eine Vergilbung kann aber bei beidem vorkommen, daher genau hinsehen! [^NutrientVsLightBurn]

  • Unterschiede LED vs. HID (NDL/MH): Das ist wichtig zu verstehen!

    • HID (NDL/MH): Diese Lampen produzieren viel Infrarot-Strahlung (Wärme). Lichtbrand ist hier oft eine Kombination aus zu hoher PPFD und direkter Hitzestrahlung. Die Blätter werden buchstäblich gekocht. Man muss einen größeren Sicherheitsabstand halten.
    • LED: Moderne LEDs geben kaum IR-Wärme ab. Hier entsteht Lichtbrand primär durch zu hohe PPFD – reiner Photonen-Stress, der die Photosynthese überlastet, auch wenn die Blatttemperatur vielleicht gar nicht extrem hoch ist [^LEDvsHIDStress]. Man kann LEDs näher ran hängen, aber genau dadurch steigt das Risiko, die photochemische Grenze zu überschreiten!
  • Vermeidung:

    • Richtiger Abstand/Intensität: Haltet euch an empfohlene PPFD-Werte und Abstände für eure Lampe und das Wachstumsstadium. Messt nach (siehe nächster Abschnitt)!
    • Langsame Anpassung (Akklimatisierung): Erhöht die Lichtintensität (z.B. durch Dimmen oder Verringern des Abstands) immer nur schrittweise über mehrere Tage, besonders wenn die Pflanzen aus einer Phase mit weniger Licht kommen. Gebt ihnen Zeit, sich anzupassen!
    • Gutes Klima: Sorgt für optimale Temperatur, Luftfeuchte und Luftbewegung. Stress durch andere Faktoren erhöht die Anfälligkeit für Lichtstress.
    • Gesunde Pflanzen: Kräftige, gut ernährte Pflanzen verkraften mehr Licht als geschwächte.

Herr Brackhaus’ Tipp: Langsam an hohe Intensitäten gewöhnen! Das sehe ich immer wieder: Grower kaufen eine neue, starke Lampe und knallen sie sofort mit voller Power über ihre Pflanzen. Das Ergebnis? Lichtbrand und Enttäuschung. Macht das nicht! Fangt lieber mit gedimmter Leistung oder größerem Abstand an und beobachtet die Pflanzen genau. Wenn sie es gut vertragen, könnt ihr die Intensität langsam steigern. Diese Akklimatisierung ist entscheidend, damit die Pflanze ihre Schutzmechanismen hochfahren kann. Lieber eine Woche länger brauchen und dafür gesunde Pflanzen haben, als alles auf einmal zu wollen und die Ernte zu riskieren!

Lichtstress ist also ein echtes Risiko, wenn man es mit der Beleuchtung übertreibt oder die Bedingungen nicht passen. Im nächsten Abschnitt schauen wir uns an, wie wir das Licht richtig messen und den Raum optimal gestalten, um solche Probleme zu vermeiden und das Licht effizient zu nutzen.

Licht messen und lenken: Werkzeuge und Tricks für den Anbau

Wer im Dunkeln tappt, kann nicht erwarten, dass seine Pflanzen im Licht erstrahlen. Um unsere Beleuchtung wirklich zu verstehen, zu steuern und zu optimieren – und um Probleme wie Lichtstress zu vermeiden – ist das Messen der Lichtintensität unerlässlich. Und wir brauchen die richtigen Werkzeuge und Techniken dafür. Genauso wichtig ist es, das vorhandene Licht durch clevere Raumgestaltung möglichst effizient zu nutzen.

Das richtige Werkzeug: Quantensensor vs. Spektroradiometer (und warum das Handy versagt)

Wir haben schon gelernt: Lux und Lumen sind tabu! Was brauchen wir also stattdessen?

  1. Quantensensoren (PAR-Messgeräte): Das ist das Standardwerkzeug für den ambitionierten Grower. Diese Geräte messen die Photonenflussdichte im PAR-Bereich (400-700 nm) und zeigen den Wert direkt als PPFD in µmol/m²/s an [^QuantumSensor]. Sie bestehen vereinfacht gesagt aus einer Photodiode und einem speziellen optischen Filter, der nur das photosynthetisch relevante Licht durchlässt.

    • Vorteile: Relativ erschwinglich (im Vergleich zu Spektroradiometern), robust, einfach zu bedienen und liefern die entscheidende Metrik (PPFD). Viele Modelle können auch den DLI berechnen oder die Werte über Zeit loggen. Bekannte Hersteller sind z.B. Apogee Instruments, LI-COR oder auch günstigere Alternativen, die speziell für den Grow-Markt entwickelt wurden.
    • Nachteile/Wichtig: Sie geben keine Auskunft über das Spektrum des Lichts. Außerdem ist die Kalibrierung wichtig! Ein Sensor sollte für die Lichtquelle kalibriert sein, die man misst (Sonne, NDL, LED). Gerade bei LEDs mit ihren unterschiedlichen Spektren kann ein nicht passend kalibrierter Sensor ungenaue Werte liefern [^SensorCalibrationLED]. Achtet also beim Kauf darauf oder lasst den Sensor ggf. kalibrieren.
  2. Spektroradiometer: Das ist die High-End-Lösung, meist für Forschungslabore oder Lampenhersteller. Diese Geräte messen die Intensität für jede einzelne Wellenlänge über einen breiten Bereich (z.B. 300-1000 nm) und erstellen ein detailliertes Lichtspektrum (SPD) [^Spectroradiometer]. Aus diesen Daten können dann alle anderen Werte (PPFD, DLI, R:FR-Verhältnis, Farbtemperatur etc.) exakt berechnet werden.

    • Vorteile: Liefern die vollständige spektrale Information, höchste Messgenauigkeit unabhängig vom Spektrum. Unerlässlich für wissenschaftliche Studien oder die Entwicklung spezifischer Lichtrezepte.
    • Nachteile: Sehr teuer (oft mehrere tausend Euro) und komplexer in der Bedienung. Für den normalen Heimanbauer meist Overkill.
  3. Smartphone-Apps (+/- Diffusor): In letzter Zeit tauchen immer mehr Apps auf, die versprechen, PPFD oder Lux mit der Handy-Kamera oder dem Lichtsensor zu messen [^SmartphoneAppsLight]. Manche benötigen spezielle Aufsteck-Diffusoren.

    • Vorteile: Extrem billig oder kostenlos.
    • Nachteile: Die Genauigkeit ist meist höchst fragwürdig! Die Sensoren im Handy sind nicht für präzise Lichtmessungen ausgelegt, die Kalibrierung ist unklar, die Ergebnisse hängen stark vom Handymodell und der App ab. Sie können vielleicht eine ganz grobe Orientierung geben, sind aber kein Ersatz für ein richtiges PAR-Messgerät! Wer hier spart, spart am falschen Ende.

Herr Brackhaus’ Tipp: Beißt in den sauren Apfel und kauft euch einen ordentlichen Quantensensor / PAR-Meter! Es muss nicht das teuerste Profi-Gerät sein, es gibt mittlerweile brauchbare Modelle speziell für Grower, die bezahlbar sind. Aber verlasst euch nicht auf euer Handy oder ein Luxmeter. Präzise PPFD-Messungen sind die Grundlage für eine effiziente Beleuchtung und die Vermeidung von Problemen. Diese Investition zahlt sich schnell aus!

Richtig messen: Die Tücken der PPFD-Messung (Raster, Höhe, Kalibrierung)

Ein Messgerät zu haben ist das eine – es richtig zu benutzen das andere! Gerade bei der PPFD-Messung kann man viel falsch machen:

  • PPFD-Mapping (Rastermessung!) ist Pflicht: Die Lichtintensität unter einer Lampe ist niemals perfekt gleichmäßig! Sie ist in der Mitte meist am höchsten und fällt zu den Rändern und Ecken hin ab. Eine einzelne Messung direkt unter der Lampe sagt also nichts über die durchschnittliche PPFD auf eurer Fläche oder die Ausleuchtung in den wichtigen Randbereichen aus!
    • So geht’s richtig: Ihr müsst an mehreren Punkten in einem systematischen Raster über eure gesamte Anbaufläche messen (z.B. alle 15-30 cm ein Messpunkt) [^PPFDMapping]. Nur so bekommt ihr ein realistisches Bild von der durchschnittlichen PPFD und der Uniformität (Gleichmäßigkeit) der Ausleuchtung. Hersteller von Qualitätslampen liefern oft solche “PPFD-Maps” für bestimmte Abstände und Flächen mit – ein wertvolles Hilfsmittel!
  • Korrekte Messhöhe: Messt immer auf der Höhe, wo das Licht auf die Pflanzen trifft – also auf Höhe der obersten Blätter bzw. der Pflanzenspitzen (Kronendach) [^MeasurementHeight]. Dokumentiert immer den Abstand zur Lampe mit, denn davon hängt der Wert massiv ab!
  • Störungen vermeiden: Achtet darauf, den Sensor beim Messen nicht mit eurem Körper oder eurer Kleidung zu beschatten. Haltet den Sensor möglichst horizontal, parallel zum Boden (außer ihr wollt gezielt den Lichteinfall auf schräge Blätter messen).
  • Kalibrierung & Sensorwahl: Wie schon erwähnt, verwendet einen für eure Lichtquelle geeigneten und regelmäßig kalibrierten Sensor. Die Dinger altern auch und können ihre Genauigkeit verlieren.

Herr Brackhaus betont: Eine Einzelmessung ist wertlos! Ich kann es nicht oft genug sagen: Wenn ihr die PPFD messt, macht ein Raster! Eine einzelne Messung in der Mitte unter der Lampe liefert einen schönen hohen Wert, mit dem man vielleicht angeben kann, aber er ist völlig irrelevant für die Gesamtleistung auf eurer Fläche. Die Pflanzen an den Rändern bekommen vielleicht nur die Hälfte ab! Messt systematisch, berechnet den Durchschnitt und schaut euch die Uniformität an – nur so wisst ihr wirklich, was Sache ist!

Nichts verschwenden: Reflektion im Growroom optimieren

In einem geschlossenen Anbauraum (Zelt, Schrank, Raum) trifft ein Teil des Lichts unweigerlich auf die Wände, den Boden oder die Decke. Wenn diese Oberflächen dunkel sind, wird das Licht einfach geschluckt – pure Energieverschwendung! Gut reflektierende Oberflächen hingegen werfen die Photonen zurück auf die Pflanzen und sorgen so für [^ReflectivityImportance]:

  • Höhere Lichtnutzungseffizienz: Mehr Photonen erreichen die Pflanzen, die durchschnittliche PPFD steigt, besonders in den Randbereichen.
  • Bessere Uniformität: Die Ausleuchtung wird gleichmäßiger, auch untere Blattschichten bekommen mehr Licht ab.

Welche Materialien eignen sich am besten?

  • Matte weiße Farbe: Eine der besten und günstigsten Optionen! Hochwertige, matte weiße Farbe (ideal ist Titanweiß) reflektiert 85-95% des Lichts, und zwar sehr diffus (in alle Richtungen streuend). Das sorgt für eine extrem gleichmäßige Ausleuchtung ohne “Hot Spots” [^WhitePaintReflectivity]. Leicht zu reinigen und aufzutragen. (Glänzendes Weiß ist weniger ideal, da es eher spiegelt und die Diffusion geringer ist).
  • Panda-Folie (Schwarz-Weiß-Folie): Eine robuste Polyethylenfolie, eine Seite weiß (reflektierend, 85-95%), eine Seite schwarz (lichtdicht). Gut geeignet für Wände oder selbstgebaute Boxen. Relativ günstig [^PandaFilm].
  • Mylar (Silberfolie): Oft die Standardauskleidung in Grow-Zelten. Eine metallisierte Polyesterfolie mit sehr hoher spiegelnder (spekularer) Reflexion (bis zu 97%) [^MylarReflectivity].
    • Nachteile: Empfindlich gegen Knicke und Kratzer, die die Reflexion mindern. Schwerer zu reinigen. Die spiegelnde Reflexion kann eher zu Hot Spots führen als diffuse Materialien. “Diamond Mylar” hat eine Prägung, die die Streuung etwas verbessern soll.
  • Foylon: Ähnlich wie Mylar, gilt als etwas robuster, reflektiert auch Wärme (IR).
  • Orca Grow Film: Ein High-End-Material. Eine weiße Folie mit einer speziellen Mikrostruktur, die extrem hohe (>94%) und extrem diffuse Reflexion bieten soll (Lambert’sche Streuung) [^OrcaFilm]. Sehr haltbar, abwaschbar, schimmelresistent – aber auch mit Abstand am teuersten.
  • PVC-Paneele: Weiße, harte Kunststoffpaneele, oft im Profi-Bereich eingesetzt. Langlebig, leicht zu reinigen, gute diffuse Reflexion.

Diffus vs. Spekular im Zelt – Was ist besser? Man liest oft, dass diffuse Reflexion (weiß) besser ist, weil sie das Licht gleichmäßiger verteilt. Interessanterweise haben aber Messungen in geschlossenen Zelten teilweise ergeben, dass spiegelnde Materialien wie glattes Mylar zu einer höheren durchschnittlichen PPFD auf der Pflanzenfläche führen können als weiße Wände [^SpecularVsDiffuseTent]. Eine mögliche Erklärung: In dem kleinen, geschlossenen Raum lenkt die spiegelnde Reflexion das Licht direkter nach unten auf die Pflanzen, während die diffuse Reflexion von den Wänden es stärker in alle Richtungen streut, was zu mehr Mehrfachreflexionen und Absorptionsverlusten an den Wänden selbst führen kann, bevor das Licht die Pflanze erreicht. Die optimale Wahl könnte also auch von der Raumgeometrie abhängen.

Herr Brackhaus’ Material-Empfehlung: Für die meisten DIY-Boxen oder Räume ist hochwertige, matte weiße Farbe meine Top-Empfehlung – super effektiv, langlebig und preiswert. In gekauften Zelten ist meist Mylar verbaut, das ist auch okay, achtet aber darauf, es nicht zu zerknittern. Wer das nötige Kleingeld hat und maximale diffuse Reflexion und Haltbarkeit will, macht mit Orca Film sicher nichts falsch. Von normaler Alufolie aus der Küche rate ich ab – sie knittert extrem, reflektiert ungleichmäßig und ist weniger effektiv als gedacht.

Gutes Lichtmanagement bedeutet also nicht nur, die richtige Lampe zu haben, sondern auch, das Licht präzise zu messen und durch reflektierende Oberflächen optimal im Raum zu verteilen.

Fazit und Ausblick: Das Licht gemeistert? Fast!

Puh, das war eine ganze Menge Stoff, ich weiß! Von den physikalischen Grundlagen des Lichts über die Geheimnisse der Photosynthese und Photomorphogenese bis hin zu den Tücken von Lichtstress und der Wichtigkeit präziser Messungen – wir haben das Thema Licht wirklich von Grund auf beleuchtet.

Was sollten Sie aus diesem Kapitel unbedingt mitnehmen?

  1. Licht ist dual: Es ist nicht nur die Energiequelle für die Photosynthese, sondern auch der wichtigste Signalgeber für Wachstum und Entwicklung (Photomorphogenese). Beide Aspekte sind entscheidend!
  2. Die richtigen Einheiten zählen: Vergessen Sie Lux und Lumen! Sprechen Sie die Sprache der Pflanze mit PPFD (momentane Intensität) und DLI (tägliche Gesamtmenge). Nur so können Sie Ihre Beleuchtung sinnvoll steuern.
  3. Photosynthese ist komplex: Sie hängt von vielen limitierenden Faktoren ab (Licht, CO2, Temperatur etc.). Das Verständnis von Lichtsättigung und Photorespiration hilft, Potenziale (z.B. durch CO2) zu erkennen.
  4. Pflanzen “sehen” Licht: Über Photorezeptoren nehmen sie verschiedene Wellenlängen wahr und reagieren darauf mit Wachstumslenkung (z.B. Schattenflucht via Phytochrom, Kompaktheit via Blaulicht).
  5. Die Dunkelphase ist heilig: Für photoperiodische Sorten ist die ununterbrochene Nachtlänge der entscheidende Blüteauslöser. Störungen sind fatal!
  6. Jenseits von PAR: Auch UV (riskant!) und Fernrot (interessant!) haben spezifische Wirkungen, die man kennen sollte.
  7. Zu viel Licht schadet: Lichtstress (Photoinhibition, Lichtbrand) ist ein reales Risiko, besonders bei hoher Intensität oder plötzlichen Änderungen.
  8. Messen ist Wissen: Investieren Sie in ein PAR-Meter und messen Sie die PPFD mittels Rastermessung, um Ihre Beleuchtung wirklich zu verstehen.
  9. Reflektion nutzen: Optimieren Sie die Lichtausnutzung durch helle, reflektierende Oberflächen im Anbauraum.

Ich hoffe, dieses Kapitel hat Ihnen ein solides Fundament gegeben und vielleicht auch die eine oder andere “Erleuchtung” gebracht. Sie verstehen jetzt hoffentlich besser, warum Licht so wirkt, wie es wirkt, und wie Sie die wichtigen Parameter messen und interpretieren können.

Aber das ist natürlich erst die halbe Miete! Mit diesem Wissen sind Sie nun bestens gerüstet für die nächsten Schritte in diesem Teil der Botanik Bibel:

  • In Kapitel 21 schauen wir uns die Hardware an: Welche Leuchtmittel gibt es überhaupt? Was sind die Vor- und Nachteile von LEDs, NDL/HPS, MH, CMH/LEC und Co.? Wir machen den großen Technik-Check.
  • Kapitel 22 wird dann ganz praktisch: Wie planen Sie Ihre Beleuchtung konkret für Ihre Fläche und Ihre Pflanzen? Wie berechnen Sie die nötige Lampenstärke und wie sorgen Sie für eine gleichmäßige Ausleuchtung und die richtige Steuerung?
  • Und für alle, die noch tiefer einsteigen wollen, folgt Kapitel 23 mit fortgeschrittenen Lichtstrategien und Überlegungen zum Spektral-Tuning.

Bleiben Sie also dran – es bleibt spannend und vor allem praxisrelevant! Das Ziel ist, dass Sie am Ende von Teil 4 das Licht nicht nur verstehen, sondern es meisterhaft für gesunde Pflanzen und eine reiche Ernte einsetzen können.